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Back to Office: „Die alte Normalität gibt es nicht mehr“

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Asset-Herausgeber

17.07.2020
Josephin Hartmann
6072

Das Büro ist leer, die Bildschirme sind aus und die Kaffeemaschine steht still. Stattdessen trifft man das Team im Online-Meeting. Viele Beschäftigte haben in der Zeit des Lockdowns bewiesen, dass sie selbstständig und zuverlässig ihre Arbeit erledigen. Sie haben sich gut mit dem Home-Office arrangiert und oft wenig Bedürfnis, wieder im Büro zu arbeiten. Es gibt starke Argumente weiterhin von zu Hause zu arbeiten. Aber wie wird die neue Arbeitswelt aussehen? Was können Führungskräfte jetzt tun, um ihre Beschäftigten wieder zurück in das Büro zu holen? Die pme-Expertin Sonja Wieser erklärt im Interview was Führungskräfte wissen müssen, damit der neue Büroalltag gelingt.

Die pme-Expertin Sonja Wieser erklärt im Interview was Führungskräfte wissen müssen, damit der neue Büroalltag gelingt.


Wie würden Sie den aktuellen Status quo des Büroalltags beschreiben?

Sonja Wieser: Wir müssen stark unterscheiden zwischen Großkonzern und Büro sowie Dienstleister und Einzelhändler. Je nach Größe, Angebot und Branche gehen die Betriebe damit unterschiedlich um. Wir haben zum Beispiel Modelle in Großkonzernen, wo im Block gearbeitet wird. Sie haben konkrete Raum- und Schichtpläne erstellt, wer an welchem Ort und zu welcher Zeit arbeitet, um möglichst wenig Überschneidungen zu produzieren. Auf dieser Grundlage lassen sich Infektionsketten nachvollziehen, falls es zu einem Ausbruch kommt. Das sind die Vorbildfirmen. Die Situation im Büro ist jetzt so, dass nie alle Personen vor Ort sein können, weil der Raum für die Hygienevorschriften nicht ausreicht. Ein Großteil arbeitet immer noch im Home-Office. Individualität ist das Schlagwort, um den Spagat zwischen Erfolgsdruck und Mitarbeitergesundheit zu meistern. Jeder Betrieb muss sein eigenes Modell finden.


Was beschäftigt Führungskräfte aktuell?

Erst einmal ist die Überraschung groß, dass das Home-Office während des Lockdowns so gut funktioniert hat. Viele Beschäftigte haben bewiesen, dass sie ihre Arbeit selbstständig einteilen und erledigen können. Doch auf der anderen Seite fürchten manche Führungskräfte einen Kontrollverlust. Durch die Kinderbetreuung, den Mehraufwand im Haushalt oder die Pflege von Angehörigen entstehen ganz individuelle Arbeitszeitmodelle. Dahinter stehen auch unterschiedliche Stresssituationen der Beschäftigten, die es gilt, rechtzeitig zu erkennen. Führungskräfte, die Sicherheit über Kontrolle brauchen, haben jetzt Sorgen, dass sie ihrer Führungsrolle nicht gerecht werden. Dabei ist eine große Herausforderung, dass nicht absehbar ist, wie lange die Belastung andauern wird und ob sie einer Führung auf Distanz gerecht werden. Manche haben Angst, dass sie das nicht schaffen. Dazu kommt noch die Mehrbelastung durch das Privatleben, wie bei anderen Beschäftigten auch. Das Thema Vertrauen spielt daher eine ganz andere Rolle als früher. 


Ist eine Rückkehr zur alten Normalität möglich? 

Die alte Normalität gibt es nicht mehr. Durch die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Atemmasken) und die anrollende Wirtschaftskrise wird die „Höher, schneller, weiter“-Mentalität abgelöst. Die Chance besteht jetzt darin, dass die positiven Dinge, die wir in der Krisenzeit erlebt haben, unsere Arbeitswelt modernisieren. Der Switch in der Führungskultur bis hin zur Arbeits- und Zeitflexibilität muss kommen und wird von der jüngeren Generation bereits seit langem gefordert. 


Was können Führungskräfte tun, damit die Rückkehr an den Arbeitsplatz im Unternehmen gut funktioniert?

Dass Führungskräfte jetzt mehr Vorbilder sind denn je und auch mehr Anforderungen an sie gestellt werden, erfordert an erster Stelle eine Reflexion der eigenen Führungsphilosophie und des Selbstmanagements. Um Sicherheit zu bieten, muss sich die Führungskraft dieser Verantwortung bewusst sein. Doch alleine werden sie das nicht schaffen. Wir befinden uns gerade in einer Ausnahmesituation, wo wir erst einmal neue Methoden erarbeiten und ausprobieren. Empfehlenswert ist, die interne und externe Vernetzung auszuweiten, sich Unterstützung zu suchen und mit den Beschäftigten in den direkten Austausch zu gehen. Diese haben meistens die besten Ideen. In der Kommunikation muss jetzt verstärkt das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie angesprochen werden. War es damals nicht en vogue, Berufliches und Privates zu vermischen, steht es heute im Vordergrund. Wer an dieser Stelle nicht genau hinschaut, dem droht ein Imageverlust – was sich auch auf die Arbeitgebermarke auswirkt. 

 

Was denken Sie, wie wird die Arbeitswelt in einem Jahr aussehen?

Es wird zu Erneuerungen in der Wirtschaft kommen. Zunächst verändert sich das Reisethema. Nationale und internationale Großkonferenzen werden aufgrund von Kostenersparnissen digital durchgeführt werden. Als zweiten Punkt beschäftigt uns der Stellenabbau in den Firmen aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise. Hier spielt das Thema Outplacement eine wichtige Rolle, damit es zu einem fairen Austritt mit guten Chancen auf einen neuen Arbeitgeber kommt. Letztendlich wird es eine Veränderung in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geben. Die gegenseitige Abhängigkeit und auch der Stellenwert, wie sich der Umgang mit den Beschäftigten auf das Image des Unternehmens oder der Branche auswirkt, sind klarer geworden. COVID-19 ist wie ein Brennglas, mit dem wir auf die Schwächen unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems schauen. Jetzt bietet sich die große Chance in den nächsten Monaten und Jahren innovative Veränderungen zu gestalten.


 

Sonja Wieser ist  Wirtschaftspsychologin und zertifizierter Business Coach. Bei pme ist sie Expertin im Bereich Lebenslagencoaching. Mit Hinblick auf die persönlichen und sozialen Lebensphasen unterstützt sie Arbeitnehmer*innen und Führungskräfte bei der Bewältigung ihrer Anforderungen am Arbeitsplatz.

 

 

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