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Dankbarkeit: Für was kann man dankbar sein
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null Dankbarkeit: Für was kann man dankbar sein

Was bedeutet Dankbarkeit?
Wir Menschen sind Teil eines großen Systems von Empfangen und Weitergeben. Schon mein Leben habe ich nicht aus mir selbst heraus, sondern weil meine Eltern sich geliebt haben. Ich verdanke also mein Leben jemand anderem.
Grundsätzlich kann ich auch gar nicht für mich alleine leben, sondern bin immer abhängig davon, dass jemand anderes mir etwas gibt: die Natur gibt mir Nahrung, der Arbeitgeber gibt mir Geld, ein anderer Mensch gibt mir seine Liebe.
Danke zu sagen, ist so etwas wie eine Vertragsunterschrift: Ja, ich bestätige das! Danke zu sagen, ist ein Bewusstseinsakt. Mir wird bewusst: Ah, ich bekomme etwas und ich werde dadurch reicher. Ich komme ein Stück mehr in die Fülle.
Das klingt aber auch so, als wären wir abhängig von anderen Menschen?
Genau, das sind wir grundsätzlich. Und der Dank ist so etwas wie ein Einverständnis dazu: Es ist für mich in Ordnung.
Wenn ich dankbar bin, hilft es mir außerdem dabei, das Leben nicht als einen Mangel zu betrachten: Sehe ich immer nur das halb leere Glas oder das halb volle Glas?
Wenn ich in Gedanken immer beim Verlust bin, dann geht es mir schlecht. Die Corona-Pandemie war und ist hier eine große Herausforderung für uns Menschen. Ich empfinde Stress und mein Körper schüttet Hormone wie Adrenalin oder Cortisol aus, die mich müde und erschöpft machen. Wenn ich mich aber in einer kontinuierlichen Form daran erinnere, dass ich in der Fülle bin, dann stärke ich mich im positiven Sinne. Das bedeutet, dass mein Körper Endorphine und Dopamin produziert. Ich fühle mich wohl, mir geht es gut und ich bin reich gesegnet.
Das Gefühl der Dankbarkeit, das wir gegenüber anderen hegen, stärkt uns also selbst? Ist das der Grund warum Dankbarkeitstagebücher etc. im Moment so eine Hochkonjunktur haben?
Ja, allerdings sehe ich das kritisch: Wenn ich jeden Tag nur eine Liste von möglichst vielen Dingen notiere, für die ich dankbar bin, ist das Quatsch. Ich muss diese Dankbarkeit auch fühlen: Erst wenn ich auch wirklich erfüllt bin von Dankbarkeit und mich etwas beglückt komme in einen wirklichen positiven Flow-Zustand.
Wie erreiche ich diesen Zustand? Kann ich das trainieren?
Für mich hat das etwas damit zu tun, wie ich mich mit der Idee der Dankbarkeit verbinde: gedanklich, gefühlt und körperlich. Wie nehme ich all den Reichtum, der mich umgibt und den ich besitze wahr? Was spüre ich, wenn ich daran denke? Für mich bedeutet das in Verbindung zu gehen und das kann man trainieren. Eine Metapher: Wenn ich eine schlechte Leitung habe, aufgrund von fehlendem Internet, dann kommt nichts bei mir und auch nichts bei meinem Gegenüber an. Ich kann aber Übungen machen, die mein Leitungsnetz aktivieren. Dann wird es fülliger, spürbar und das sehr befriedigend. Ich kann dieses Netz also stärken.
Welche Übungen können das sein? Das pure Aufschreiben hilft nicht, sagst du…
Schreiben ist die Verstärkung des Denkens schreiben. Aber wenn du nur schreibst, ohne dass du etwas fühlst, wirkt es nicht. Also du musst einen Gedanken fühlbar machen. Erst wenn er sozusagen ins Herz rutscht und bis in den Körper hinein spürbar wird, bewirkt deine Dankbarkeit etwas und dein Körper schüttet Hormone aus.
Haben wir diese Art des fühlenden Denkens in unserer Informations- und Leistungsgesellschaft nicht längst verlernt?
Ja, wir haben die Tendenz entwickelt, alles als selbstverständlich anzunehmen: Selbstverständlich bekomme ich meinen Lohn, selbstverständlich kaufe ich mein Gemüse und mein Brot, selbstverständlich habe ich genug Geld auf dem Konto, um mir zu kaufen, was ich brauche. Ich habe überhaupt gar keine Bewusstheit mehr dafür, dass das alles andere als selbstverständlich ist, sondern dass es ein großartiges Geschenk ist, das ich jeden Tag zur Verfügung habe. Wenn du etwas geschenkt bekommst, dann hast du so ein Gefühl, das in dir groß wird. Ein Gefühl von Liebe zum Beispiel. Wenn du etwas aufschreibst, wofür du dankbar bist, geht es darum, dich emotional ein wenig da reinzusteigern. Es gibt ein altes jüdisches Gebet, das ich zum Beispiel manchmal praktiziere. Es heißt …. . Übersetzt das Genügende, was mich vergnügt macht. Das Gebet stammt aus der Zeit, als Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit wurde (wann war das?). Die Erinnerung daran, dass ich einmal Sklave war und jetzt frei bin, bewirkt ein Gefühl von: Boah, was bin ich froh, dass ich frei bin!
Wie geht das Gebet und wie lässt es sich auf die heutige Zeit übertragen?
Das Gebet geht ungefähr so: Allein, dass du unsere Not gesehen hast, wäre genug gewesen.
Aber du hast nicht nur unsere Not gesehen. Du hast uns auch noch Brot gegeben. Allein, dass du uns Brot gegeben hast, wäre genug gewesen. Du hast uns nicht nur Brot gegeben, sondern uns auch noch durch die Wüste geführt. Allein, dass du uns durch die Wüste geführt hast, wäre genug gewesen. Du hast uns aber nicht nur durch die Wüste geführt, sondern all die Jahre hindurch gestärkt. Und so weiter…
Und wenn du das jetzt mal übersetzt in unsere heutige Zeit, könnte das gebt so lauten: Alleine, dass ich heute Nacht ein Bett hatte, wäre genug gewesen. Ich hatte nicht nur ein Bett, was großartig ist, sondern ich hatte auch noch eine warme Dusche. Alleine diese warme Dusche am frühen Morgen wäre genug gewesen. Aber ich hatte nicht nur Dusche, sondern ich hatte ein unglaublich leckeres Brötchen. Allein dieses unglaublich leckere Brötchen wäre genug gewesen. Ich hatte nicht nur ein leckeres Brötchen und einen unglaublich fantastischen Kaffee.
Wenn du dir das erzählt, gehst in das Fühlen und Spüren rein. Diese vielen Kleinigkeiten, die du wie selbstverständlich jeden Tag genießt, ohne Bewusstheit, ohne darüber nachzudenken, bekommen auf einmal ein viel größeres Gewicht und machen das halbvolle Glas wirklich kostbar.
Ich frage mich, ob ich mich auf die kleinen Freuden im Alltag konzentrieren darf, während die Welt da draußen in immer mehr Krisen gerät: Corona, Afghanistan, Klimawandel? Ist das nicht ein kompletter Rückzug ins Private? Und kann ich mir das eigentlich noch leisten, so durch die Welt zu gehen?
Es geht darum genau diese Ambivalenzen auszuhalten. Das Leben ist nicht entweder schwarz oder weiß. Was ist denn richtig? Fülle oder Mangel? Zuzulassen, dass beides gleichzeitig existiert und sich selbst die Erlaubnis zu erteilen, dankbar zu sein und zugleich aber auch Mitgefühl zu haben, das ist kein Widerspruch: ein Teil von mir ist leidvoll über das, was nicht da ist, ein anderer Teil sieht die Fülle und ist dankbar dafür. So ist diese Welt. Das ist wie so eine Form von Akzeptanz.
Wofür bist du selbst dankbar?
Oh, ich bin für so viele Dinge dankbar: Zum Beispiel habe ich 45 Jahre meines Lebens mit intensiven Formen von Asthma und Neurodermitis verbracht. Das Leben war für mich eine Qual. Ich bin so froh und dankbar, dass das ein Kapitel der Vergangenheit ist, dass meine Haut heute in der Lage ist, selbstständig zu atmen und sich zu reaktivieren. Ich bin dankbar, dass ich meine Frau an meiner Seite habe, was ich alles andere als selbstverständlich finde. Und ich bin dankbar dass ich, als ich in der Kirche aufgehört habe beim pme Familienservice einen Platz gefunden habe, bei dem ich beruflich andocken konnte und das ich meine Fähigkeiten hier einbringen kann.