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Führung & HR

5 Tipps, wie Sie hybride Teams führen

5 Tipps von Führungskräftetrainer Mario Müller, wie Sie eine gute Zusammenarbeit in virtuellen Team fördern.

Die neue Corona-Normalität hat unsere Arbeitswelt verändert. Einige Mitarbeiter arbeiten von zu Hause, der andere Teil im Büro. Je nach Projekt, Aufgaben und Distanz des Teams kann das Verhältnis aus Vor-Ort- und Remote-Zusammenarbeit unterschiedlich ausfallen

Für Führungskräfte stellt es eine neue Herausforderung dar, hybride Teams zu führen. Unser Führungskräftetrainer Mario Müller gibt Ihnen fünf Tipps, was Sie bei dieser neuen Arbeitsweise beachten sollten, und wie Sie eine gute Zusammenarbeit in ihrem Team fördern können.

Momentaufnahme: Was hat die Corona-Krise verändert?

Torsten Voigt, Soziologe an der RWTH Aachen, sagt, dass jetzt der Moment gekommen ist (1). Der Moment, in dem wir überprüfen, wie es unseren Mitarbeiter:innen nach den Belastungen und Veränderungen durch die Krise geht, und in dem wir darauf schauen, wie groß die psychischen Belastungen wirklich waren und wie es an der Burnout-Front aussieht.

Aber wir schauen nicht nur auf die Individuen, wir sehen uns auch an, wie sich unser Unternehmen, unsere Organisationsweise und unsere Kultur in der Krise bewährt haben – und was angepasst werden muss, um das Unternehmen für künftige Krisen zu wappnen.

Investition in Unternehmenskultur ist eine notwendige Maßnahme

In Deutschland wurden 2020 so viele Kinder geboren wie zuletzt 1998 (2). Herausgerissen aus der Selbstverständlichkeit des täglichen Pendelns zur Arbeit, wurden die Menschen zurückgeworfen auf fundamentale, existenzielle Fragen. Wie will ich leben? Was ist mir wichtig? Und sie finden Antworten darauf: 41 % der globalen Arbeitskräfte wollen sich in den kommenden zwölf Monaten einen neuen Arbeitgeber suchen, 48 % wollen ihre Karriere auf ein völlig anderes Feld verlagern (3).

Durch den Digitalisierungszwang sind Unternehmen nun endlich wirklich in einen internationalen Wettbewerb um die größten Talente getreten. Und um diese Talente anzuziehen und zu halten, reicht ein attraktives Gehalt schon lange nicht mehr. Bei einer Umfrage nach den Prioritäten von Beschäftigten landet dieses Kriterium in den Top Ten gerade einmal auf Platz sieben (4).

Auf den Plätzen eins bis drei der Arbeitsplatzprioritäten gibt die mobilisierte Arbeitskraft an: „gute Führungskultur“, gefolgt von „Wertschätzung der Mitarbeiter:innen“ und „nette Kollegen und Zusammenhalt“ – auf Deutsch: Kultur. Unternehmen, die hier nicht genügend investieren, werden in den kommenden Monaten und Jahren keine Chance auf Nachwuchs haben und den Großteil ihrer Talente an die Konkurrenz verlieren.

Unternehmen sind dank Bewertungsplattformen transparent geworden; es lässt sich nicht mehr verheimlichen, wie es in einem Betrieb wirklich zugeht. Die ausgebrannten unter denjenigen Menschen, die für ihr Unternehmen zwischen Homeschooling und Homeoffice alles gegeben haben, wissen, dass eine Auszeit nichts bringt, wenn man danach wieder in eine aufreibende oder sogar toxische Umgebung zurückkehrt. Deshalb ist beharrliche Investition in Kultur allerspätestens ab jetzt Teil des strategischen Risikomanagements.

Strategische Positionierung und das Ende der Work-Life-Balance

Burnout ist ein individuelles Schicksal. Aber ob es dazu kommt, hängt nur zu einem Bruchteil vom Workload ab. Die Forschung auch von Voigt legt nahe, dass Burnout am besten auf der organisationalen und systemischen Ebene angegangen wird. Das heißt: Das Unternehmen muss sich auch dem Menschen anpassen, nicht nur umgekehrt. Unternehmen suchen sich keine Leute mehr aus. Menschen suchen sich Unternehmen aus. Die Kompetenzen verlagern sich von den Führungskräften weiterhin in Richtung der Teams. Führungskräfte müssen in allererster Linie die Kooperation ihrer Teams optimieren und von der Sache nur so viel verstehen, dass sie Entscheidungen (mit) treffen können. C-Level-Management muss Werte vorleben, um glaubwürdig zu bleiben.

Insbesondere die junge Generation „hat keine Work-Life-Balance und will auch keine“, sagt Führungskräftetrainer Mario Müller. Junge Leute verstehen Arbeit und Produktivität als integralen Bestandteil ihres Lebens, sie „leben auch bei der Arbeit“ und sind nicht bereit, willkürliche Qualen zu erdulden, um zwischen den Bürozeiten zu leben.

Durch die weltweite Auswahl erleben Unternehmen in den kommenden Jahren einen nie dagewesenen Selektionsdruck, der sich wie eben gesehen vor allem anderen auf die gelebte Kultur bezieht und darauf, ob Menschen, die es sich aussuchen können, Teil davon sein wollen. Unternehmen, die sich hier nicht anpassen und konkurrenzfähig bleiben, verschwinden.

Warum hybrides Arbeiten?

Eine Rückkehr zu althergebrachter Präsenzarbeit wird es nicht geben, sagt Microsoft (5). Die Vorteile von mobiler oder virtueller Kooperation für Beschäftigte und Produktivität sind zu groß, um darauf zu verzichten. Im Durchschnitt arbeiteten Deutsche in der Krise 24 Tage länger pro Jahr – nämlich die Zeit, die sie ansonsten auf der Straße mit Pendeln verbracht hätten (6). Gleichzeitig ist auch der direkte menschliche Kontakt für Vertrauensbildung und Bindung unverzichtbar. Deshalb wird die Zukunft der kollaborativen Arbeit ausnahmslos hybrid sein. Und die Frage nach dem richtigen Verhältnis lässt sich nicht mit einem aus der Hüfte geschossenen pauschalen „50:50“ oder „60:40“ beantworten, ohne neue Probleme zu verursachen. Der Anteil muss beweglich sein und von individuellen Präferenzen, vom Tätigkeitsfeld und vom Team abhängen und auch veränderten Anforderungen angepasst werden können. 

Fünf Tipps, wie Sie hybride Teams führen

Damit Sie diese Anpassung schaffen und zentrale Fehler überspringen können, hier unsere fünf wichtigsten Tipps für hybride Zusammenarbeit:

1. Vernetzungsdichte erhöhen

Die Bindungskräfte, die verhindern, dass Ihre Mitarbeiter:innen beim ersten attraktiven Angebot durch die Konkurrenz weg sind, entstehen durch Kontakte und informellen Austausch. Damit Menschen im mobilen Office oder Homeoffice nicht abgehängt werden und sich emotional entkoppeln, brauchen sie regelmäßige Videocalls und -konferenzen, bei denen sie sich gegenseitig sehen und hören können.

Richten Sie zudem Online-Teamevents ein, bei denen auch private Themen auf den Tisch kommen. Eine private Bindung zum Unternehmen kann nur entstehen, wenn man sich dort auch für den privaten Menschen und sein Leben interessiert und nicht ausschließlich für seine Arbeitskraft. Richten Sie im Wochenplan eine virtuelle Kaffeepause ein, wo Mitarbeiter:innen aus dem Büro und aus dem Homeoffice sich regelmäßig treffen und informell austauschen können, damit kein Graben entsteht zwischen den Anwesenden und den Abwesenden.

2. Hybrides Arbeiten: Informationsfluss gewährleisten

Als alle Beschäftigten im Homeoffice waren, waren die Informationskanäle klar, weil alles virtuell stattfand. Jetzt werden sich Flurfunk, Kaffeeküchengespräche und Informationen aus Videocalls und aus (virtuellen) Teammeetings mischen. Die Gefahr, dass wichtige Informationen vorausgesetzt werden, aber nie ins Ziel finden, ist jetzt besonders hoch.

Führen Sie in Ihren Meetings eine Status-Runde ein, in der zentrale Informationen wiederholt und protokolliert werden, damit nichts verloren geht. Lassen Sie sich von der Spotify-Methode inspirieren. Hier sind Menschen nicht nur nach Teams vernetzt, sondern jeweils auch nach Projekten, Expertise, Kompetenzen und Interessen. So können sich Expert:innen austauschen und auf dem aktuellen Stand halten, Silobildung wird verhindert und das Wir-Gefühl gestärkt. 

3. Ihr Führungsstil: Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Führungskräfte, die auf Kontrolle, direkte Steuerung und Micromanagement setzen, hatten es in der Krise besonders schwer – und sie werden es auch in Zukunft immer schwerer haben, ihr persönliches Bedürfnis nach Kontrolle gegen die Interessen von Mitarbeiter:innen und Unternehmen durchzusetzen. Warum ist das so? Relevante Unternehmen lösen Probleme, die für einzelne Menschen zu groß, unüberschaubar und komplex sind. Darum gibt es Teams, die ihre Kompetenzen zusammenlegen. In einer guten Kultur entstehen dadurch Synergie- und Emergenzeffekte, die dem Team erlauben, über das hinaus Leistungen zu erbringen, was die Mitglieder durch ein Nebeneinanderarbeiten hätten leisten können (7). Die Leistung wird durch Teams erbracht. Die Führungskraft ist neben ihrer eigenen Tätigkeit als Fachkraft nur dafür zuständig, das Team zu weitestgehend autonomer und selbstbestimmter Produktivität zu befähigen.

Die Teammitglieder brauchen die Kompetenz, Entscheidungen schnell, selbstständig und informell zu fällen, weil die Kontrolle den Prozess unglaublich verlangsamt und die Dynamik des Teams unterbricht. Mangelndes Vertrauen und Micromanagement führen ohnehin vor allem zu Dienst nach Vorschrift, innerer Kündigung oder dem Weggang derjenigen Leute, die etwas bewegen wollen. Wenn Sie es also noch nicht getan haben, übertragen Sie möglichst viele Kompetenzen an Ihr(e) Team(s), überwinden Sie Ihre individuellen Ängste und Ihr Ego, und schauen Sie sich ab, wie energiesparend andere Führungskräfte ihre Teams zu Höchstleistungen inspirieren.

In einer Studie, veröffentlicht im Journal of Service Management, untersuchten Dr. Silke Bartsch und Ariana Huber gemeinsam mit Kolleginnen das Führungsverhalten und dessen Auswirkungen auf Mitarbeiter:innen in Dienstleistungsunternehmen in Zeiten der Coronakrise (8). Die Umfrage hat gezeigt, dass aufgabenorientiertes, aber insbesondere beziehungsorientiertes Führungsverhalten die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten erhält und dass die individuelle Autonomie am Arbeitsplatz sowie die Team-Kohäsion in diesem Zusammenhang vermittelnd wirken. 

Auch in Post-Corona-Zeiten wird der Trend fortgesetzt: Das Verständnis von Führung wird immer stärker als „kooperationsförderndes Handeln“ aufgefasst, das das Gleichgewicht im Blick hat und vor allem einen Rahmen für produktive Zusammenarbeit erzeugt. Vertrauen Sie Ihrer Belegschaft, dass sie leistungswillig und motiviert ist, die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Denn die Erfahrung zeigt, dass das so ist. Talentierte, motivierte Menschen verlassen Unternehmen nicht, weil zu viel verlangt wird, sondern weil sie sich nicht genug einbringen dürfen.

4. Gemeinsame Werte in hybriden Teams 

Hat Ihr Unternehmen im Eingangsbereich auch so eine Tafel mit Werten und Leitsätzen? Wie viele Ihrer Beschäftigten haben diese Tafel durchgelesen? Haben Sie es? Wozu auch – es wäre pure Zeitverschwendung. Innerhalb kürzester Zeit bemerkt jeder Neuling, wie der Hase im Unternehmen wirklich läuft. Ja, ein Grundpfeiler für den Zusammenhalt von Teams, seien diese hybrid oder nicht, sind gemeinsame Werte. Die können aber nicht diktiert und auch nicht simuliert werden. Ehrlicher Respekt, Wertschätzung, aktives Zuhören, konstruktive Mitarbeit an den Ideen anderer und das gemeinsame Einstehen bei Fehlern stärken den Zusammenhalt. Sie sind aber das Ergebnis von Handlungen, nicht von Lippenbekenntnissen oder angestaubten Plaketten. Und diese Handlungen passieren nur dann dort, wo es relevant ist, wenn sie auf einer Haltung fußen. Verhalten kommt von Haltung. Werte als Schmuck werden im Krisenfall – also dann, wenn es zählt – sofort entlarvt. Führungskräfte sollen Vorbilder sein, heißt es oft. Das ist ein falsches Konzept. Führungskräfte sind Vorbilder. Was sie vorleben, schauen die anderen sich an und ab und ziehen ihre Folgerungen daraus. 

Teams, bei denen es wegen Distanzarbeit und Digitalisierung keinen Zusammenhalt mehr gibt, hatten sehr wahrscheinlich bereits vor Homeoffice-Zeiten Probleme. Die Zusammenarbeit bestand aus dem unabhängigen Abarbeiten von Aufgaben, wirkliches Teamwork hat nicht stattgefunden. Führungskräfte müssen hier Wege finden, das Team neu zu erfinden und zu entwickeln. Wie das geht, ist einfach zu erklären und schwierig umzusetzen. Beim Aufbau von Kultur gilt als allerwichtigste Regel: an die eigene Nase fassen! Bringe ich das selbst, was ich fordere? Fordere ich etwas von mir oder von den anderen? Hinterfrage ich mich auch oder nur andere? Was ist meine wahre Meinung über die anderen? Wie rede ich mit den Leuten und wie höre ich ihnen zu? Haltung ist eine sehr lohnende Investition, wie tägliches Zähneputzen.

5. Führen Sie die Retrospektive ein: ausprobieren und darüber sprechen!

In vielen Führungsetagen herrscht jetzt eine große Offenheit für Veränderungen. Als Führungskraft können Sie mutig neue Schritte mit Ihrem Team wagen und gemeinsam erfahren, wie sich bestimmte Maßnahmen auswirken. Nutzen Sie die Gestaltungsspielräume, die Sie haben. Versuche zeigen, dass man auch in riesigen, trägen Hierarchiestrukturen agile Inseln und wertebasierte Führung aufbauen kann (9). Gehen Sie in kurzen Abständen mit Ihrem Team in die Retrospektive, zum Beispiel monatlich – um gemeinsam auf die vergangenen Wochen zu blicken. 

Dabei ist es auch wichtig zu fragen, welche Bedürfnisse nach persönlichem Austausch und Kontakt einzelne Mitarbeiter:innen haben, und die Form der Zusammenarbeit dementsprechend auszutarieren. 

Gehen Sie mit folgenden Fragestellungen in die Retrospektive: 

• Wie haben wir die zurückliegenden Wochen unserer Zusammenarbeit erlebt? 

• Was hat sich bewährt? Was behalten wir bei? 

• Was lassen wir los? 

• Was nehmen wir neu auf?

Zusammenfassung

In der unvermeidlichen Zukunft hybrider Arbeit und globaler Konkurrenz bekommen Kultur und die strategische Gestaltung zwischenmenschlicher Faktoren eine existenzielle Bedeutung für Unternehmen. Beziehungen müssen aktiv aufgebaut werden, Vertrauen muss über haltungsbasiertes, konsistentes Verhalten verdient werden, Beschäftigte müssen Autonomie und Gestaltungsteilhabe bekommen – für die Produktivität, und weil sie sonst weggehen. Leben Sie Werte vor, investieren Sie beharrlich, geben Sie den Menschen Gelegenheiten, Beziehungen zu bilden und auf Inhalte und Kooperationsweisen Einfluss zu nehmen. In modernen Unternehmen ist alles flexibel und beweglich – nur die Beziehungen und der Zusammenhalt bleiben und machen Unternehmungen krisenfest und leistungsfähig.

Mario Müller ist Führungskräftetrainer, Autor und Konferenzbegleiter mit den Schwerpunkten Neurologie und systemischer Improvisation. Er unterrichtete zwischen Chicago und Taipeh und arbeitet mit kleinen und großen Unternehmen zusammen.

 

Quellen:

(1) https://www.wired.co.uk/article/burnout-moment 

(2) DeStatis, 16.7.2021 

(3) Work Trend Index, Edelman Data x Intelligence 

(4) Trendence Professional Barometer 2021 

(5) Microsoft Work Lab: Work-Trend-Index 

(6) 42,4 min. täglich – marktundmittelstand.de 

(7) Wolkentraining (Mario Müller, 2014) 

(8) bwl.uni-muenchen.de

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