Das Buch „Mama Superstar“ ist eine Liebeserklärung an alle Frauen, die ihre Heimat verlassen haben, um in einem fremden Land – wie Deutschland – ein neues Leben zu beginnen. Was bringen diese Frauen mit? Was können wir von ihnen lernen?
Manik: Mit Mitte 20 haben wir langsam angefangen zu verstehen, dass unsere Mamas Heldinnen sind und so viele Eigenschaften besitzen, die gefeiert werden müssen. Als Kinder haben wir das lange nicht gesehen, auch die Gesellschaft erkennt das nicht. Migrant:innen werden oft mit Bedürftigkeit verbunden, mit jemand, der Hilfe und Unterstützung braucht. Migrant Mamas macht besonders, dass sie immer „Out-of-Box-Denkerinnen“ sind. Es sind Frauen, die nie eine Standardlösung für etwas nutzen. Sie vereinen mit ihrer Sicht mehrere Kulturen. Sie haben zum Beispiel ein deutsches Problem und lösen es mit einer indischen Perspektive. Sie schauen also immer anders auf das Problem. Das macht sie flexibel, dynamisch und willensstark.
Was sind die größten Herausforderungen, die Frauen mit Migrationshintergrund in einem fremden Land erleben? Was hilft ihnen, nicht aufzugeben?
Melisa: Für die erste Generation von Frauen mit Migrationsgeschichte sind zwei große Herausforderungen die Sprache und die neue Kultur. Sie müssen am Anfang diese beiden Welten balancieren und immer die Perspektive wechseln. Das ist etwas Unbekanntes und macht häufig viel Angst. Auf der anderen Seite weckt es Kreativität und Mut. Die Frauen müssen weitermachen, ein neues Leben aufbauen. Da ist keine Zeit, ständig zu hinterfragen. Das macht sie resilient.
Das Thema Migration wird oft mit Nachteilen, Barrieren oder Fremdsein assoziiert. Eure Porträts sind humorvoll, wecken Mut, Einfallsreichtum und Widerstandsfähigkeit. Was hat euch dazu bewegt?
Manik: Am Anfang war das keine bewusste Entscheidung! Es war einfach unsere ganz normale Perspektive auf das Thema. Unsere Migrant Mamas sind die Mamas, die wir haben: mutig, liebevoll und kreativ. Erst als wir später angefangen haben, auch zu schreiben, war von außen gewünscht, dass wir jetzt endlich über Probleme wie Rassismus sprechen. Doch die Migrant Mamas nehmen sich nicht als Opfer von Rassismus wahr. Ich hätte gerne über Rassismus gesprochen, weil ich glaube, dass gerade Migrantinnen der ersten Generation oft die Werkzeuge fehlen, Rassismus zu thematisieren. Aber keine der Mamas hat das Thema Rassismus von sich aus angesprochen hat. Die Töchter haben das schon eher thematisiert. Doch wir wollten das Buch so schreiben, wie die Migrant Mamas ihre Geschichte erzählen.
Wir haben damit eine Perspektive gewählt, die ganz anders ist als die aktuelle Stimmung. Seit 2015 ist das Thema Migration extrem problembehaftet. Wir wollen Migration so ansprechen, wie wir Migration leben und wie wir Migration kennen, und wir wollen auch einen Gegenentwurf liefern. Deswegen benutzen wir so oft wie möglich das Wort Migration. In Deutschland ist es eher ein „dreckiges“ Wort, man versucht es im Alltag eher zu vermeiden. Doch Melisa meinte: “Lass uns das Wort so oft benutzen, bis es etwas Besonderes ist, wie ein Superheldenstatus”. Der positive Blick auf das Thema erfüllt für uns ein starkes Bedürfnis: Wir wollen den Migrant Kids das Gefühl geben, dass ihre Identität nicht immer nur problembehaftet ist.
Ihr habt nicht nur ein Buch geschrieben, sondern eine ganze Bewegung initiiert, die weibliche Migration in Europa feiert. An welchem Punkt steht ihr gerade damit?
Manik: Nach dem Buch „Mama Superstar“ war für uns klar, dass wir die Zeit nutzen werden, um mit Menschen und verschiedenen Organisationen in Kontakt zu treten. Dann wollten wir Events organisieren, wo Menschen miteinander in Kontakt treten können. So entstand das Migrant Mama Festival, das wir im Mai 2021 erstmals angeboten haben. Durch die Corona-Pandemie mussten wir auf ein rein digitales Event umsteigen, doch wir haben dennoch über 300 Tickets innerhalb eines Monats verkauft. Auch in 2022 wird es wieder ein Migrant Mama Festival geben.
Ihr habt euch für die Geschichten der Mütter entschieden. Welche Rolle spielen die Väter?
Melisa: Wir lieben unsere Väter. Auch sie spielen eine wichtige Rolle in unserem Leben und haben spannende Geschichten zu erzählen. Doch wir finden, dass Frauen eine Hauptrolle brauchen, also Räume, wo sie die Protagonistinnen sind. Das brauchen sie in der Literatur wie in der Arbeitswelt. Diesen Raum wollten wir ihnen schaffen. Ehrlich gesagt kam das ganz natürlich. Wir haben über unsere Mütter gesprochen und scherzhaft ein Battle darüber geführt, welche Migrant Mama cooler ist. Das war in etwa so: „Meine Migrant Mama ist cooler als deine, weil sie mein Studium und das meiner Geschwister finanziert hat, mit 40 Jahren eine neue Ausbildung angefangen hat und nebenbei noch eine fremde Sprache lernen musste“.
Melisa ist in Lima, Peru, geboren und migrierte in den 90er Jahren mit ihrer Familie nach Italien, wo sie auch aufwuchs. Sie studierte in Rom und Kassel. Während eines Auslandssemesters 2014 in Mumbai lernte sie Manik kennen. Nach einem Abstecher in die Berliner Start-up-Welt beschloss rief Melisa im Jahr 2018 gemeinsam mit Manik das Projekt „My Migrant Mama“ ins Leben.
Manik ist als Tochter von indischen Migrant:innen im Taunus aufgewachsen. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften in Göttingen. Mit ihrer Migrant-Mama-Bewegung wollen Manik und Melisa das Potenzial und die Vielfalt von Migration in der Gesellschaft fördern. Der Austausch über die persönliche Migrationserfahrung und die Migrationsgeschichte ihrer Mütter hat beide von Anfang an eng verbunden. Schnell entstand die Idee, die einzigartigen Erzählungen der „Migrant Mamas“ in einem Buch zu veröffentlichen.
Hier erfahren Sie mehr über „My Migrant Mama“ und das "My Migrant Festival".
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