Mein Kind will nicht lernen: wie Eltern helfen können
„Ich will nicht!“, „Ich kann das nicht!“, „Ich habe keine Lust!“. Das sind Sätze, die Eltern zur Genüge hören, wenn es wieder einmal darum geht, die Hausaufgaben zu machen oder für den nächsten Test zu lernen. Aber was steckt wirklich dahinter, wenn das Kind nicht lernen will?
Ein Interview mit Lernberaterin Ana Uter mit praktischen Tipps, wie Eltern die Freude am Lernen fördern und schulische Herausforderungen gemeinsam mit ihren Kindern bewältigen können.
Anna Uter hat einen Master in Hochbegabungsforschung und Kompetenzentwicklung und ist Systemische Beraterin sowie Energetischer Coach. Sie ist Mitgründerin des Lernladen Leipzig.
Beitrag aktualisiert am 12.11.2024.
- Woran erkenne ich, dass mein Kind ein Schulproblem hat?
- Worauf sollten Eltern achten, wenn das Kind nicht lernen will?
- Was tun, wenn mein Kind nicht mehr kooperiert?
- Faktoren, die das Lernen beeinflussen
- Was ist eine Lernpersönlichkeit?
- Wie kann ich mein Kind bei Lernschwierigkeiten unterstützen?
- 5 Tipps für Eltern kurz zusammengefasst
Woran erkenne ich, dass mein Kind ein Schulproblem hat?
Anna Uter: Kinder hören auf, zu kooperieren, wenn sie unter- oder überfordert sind. Sowohl hochbegabte Kinder, die in der Schule permanent unterfordert sind, als auch Kinder, die dauerhaft überfordert sind, werden über kurz oder lang die Lust am Thema Schule verlieren.
Die Probleme können vielfältig sein: Das geht von Unlust bis zu Vermeidungsstrategien, wenn sie keine Hausaufgaben mehr machen oder nicht mehr zur Schule gehen wollen. Wenn Schule ein negativ besetztes Thema ist, merkt man das bis hin zu psychosomatischen Anzeichen. Im besten Falle äußern Kinder dies („Es macht keinen Spaß!“).
Worauf sollten Eltern achten?
Schnell entstehen negative Glaubenssätze wie „Das kann ich sowieso nicht“, „Ich darf keine Fehler machen“, „Ich bin zu langsam“. Glaubenssätze entstehen dann, wenn die Bewertung sich nicht auf das Handeln bezieht, sondern auf die Person. Also wenn man nicht sagt, „Das, was du gemacht hast, war gut (oder nicht so gut)“, sondern „Du warst gut (oder nicht so gut)“ oder „Du störst, du bist unkonzentriert“.
Das beobachtet man häufig bei begabten Schülern, die schnell Themen und Zusammenhänge verstehen. Dort wird gleich gesagt: „Du bist aber schlau!“ oder „Du bist aber gut!“. Sie verbinden die positive Äußerung nicht mit ihrer Handlung, sondern mit ihrer Persönlichkeit.
Von hochbegabten Schülern hört man daher ganz oft in meiner Elternberatung, dass sie Dinge anfangen und dann wieder abbrechen. Das liegt daran, dass man den Kindern immer wieder „Du bist aber gut!“ gesagt hat. Sobald sie bei Aufgaben einen Punkt erreichen, an dem sie nicht weiterkommen, denken sie nicht mehr daran, zu üben und weiter zu probieren, sondern: „Ich bin nicht gut“.
Kinder, die mehr lernen und üben müssen, um Erfolg zu haben, können mit Rückschlägen oder größerem Aufwand besser umgehen. Ihnen wird gesagt: „Guck mal, das, was du erreicht hast, kommt daher, dass du so gut geübt hast!“. Sie beziehen das nicht auf ihre Persönlichkeit, sondern auf ihre Handlung, an der man arbeiten kann. So leidet nicht die Person direkt darunter.
Daher meine Handlungsempfehlung für Eltern: Loben Sie die Handlung und die Anstrengungsbereitschaft, und animieren Sie zum Weitermachen! Nicht „Du bist heute unkonzentriert und schlecht!“, sondern „Hier hättest du noch mehr üben können!“.
Was kann ich tun, wenn ich merke, dass mein Kind nicht mehr kooperiert?
Im ersten Schritt sollten Eltern schauen, ob das Problem bei ihnen selbst oder bei den Kindern liegt. Daher erst einmal in sich hineingehen und fragen: „Liegt es an mir, dass ich es schlecht ertragen kann, wenn es bei meinem Kind in der Schule nicht so gut läuft? Habe ich zu hohe Erwartungen? Triggert mich etwas aus meiner eigenen Kindheit?“.
Sich dabei Hilfe zu suchen ist eine wichtige Empfehlung. In der Beratung schauen wir, wer die Motivation hat, zu uns zu kommen. Ist es der Schüler, der merkt, dass es nicht gut läuft, oder sind es die Eltern, die Schwierigkeiten in der Schule bemerken?
Wichtig für Eltern ist, dass sie den Fokus nicht auf die Noten der Kinder legen, sondern auf deren Wohlbefinden. Reden Sie mit Ihrem Kind auf einer partnerschaftlichen Ebene auf Augenhöhe!
Häufig hört man von Kindern: „Das Fach kann ich einfach nicht“. Aber hat nicht jedes Kind das Recht, in jedem Fach gut sein zu dürfen? Was sagst du dazu?
In der Arbeit mit Kindern und Eltern schauen wir uns alle Faktoren an, die das Lernen beeinflussen: Auf welche Schule geht das Kind? Wie sind die Gegebenheiten zu Hause? Hat das Kind zu Hause Ruhe? Hat es eine volle Woche und viele Hobbys? Doch ein entscheidender Punkt ist vor allem die Lernpersönlichkeit des Kindes.
Was ist eine Lernpersönlichkeit?
Zur Erklärung der Lernpersönlichkeit schauen wir uns die beiden Gehirnhälften an, die konträr arbeiten. Die linke Hälfte steuert das Zeitempfinden und verarbeitet Informationen linear. Das bedeutet, dass sie Informationen Struktur und Reihenfolge gibt, nach Ordnung sucht und reduzierend arbeitet. Sie lässt wenig Raum für Kreativität.
Schüler:innen, bei denen die linke Hälfte dominant ist, mögen gern Regeln und klare Anweisungen und lassen sich extrinsisch – also von außen – motivieren. Kurz gesagt: Sie kommen im staatlichen Schulsystem häufig besser klar. Allerdings neigen sie auch schneller zu Blackouts oder können nicht gut mit Fragen umgehen, die querschießen.
In der rechten Gehirnhälfte hingegen liegt unsere Kreativität. Hier dominiert das Raumempfinden, Informationen werden ganzheitlich, bildhaft und offen aufgenommen. Sie denken daher wie im Spinnennetz. Jedoch gehen die Gedanken schneller auf Reisen, und Sie wirken daher oftmals unkonzentriert.
Im besten Falle sind beide Gehirnhälften gut vernetzt und arbeiten je nach Anforderung. Häufig aber reagiert eine Gehirnhälfte dominant. Wir haben somit unterschiedliche Arten, Informationen aufzunehmen.
Daher ist es nicht zwangsläufig eine Frage des Wollens, sondern eine Frage des Könnens oder der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
Ein Lerncoaching kann helfen, durch die Reflexion der eigenen Lernpersönlichkeit und das Trainieren von Lernstrategien diese Vernetzung der Gehirnhälften zu unterstützen und somit mehr Handlungsspielraum zu haben.
Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es Schwierigkeiten beim Lernen hat?
Als allererstes sollten Eltern sich der Sache annehmen und akzeptieren, dass das Kind Unterstützung braucht, und das nicht negativ bewerten.
Wenn es doch so ist, ist es für Eltern ratsam, zunächst bei sich selbst zu schauen und an den eigenen Glaubenssätzen zu arbeiten: „Warum triggert es mich, dass mein Kind nicht so lernt, wie ich es mir vorstelle? Warum ist es mir wichtig, was andere Eltern oder Lehrer:innen über mein Kind urteilen?“.
Wenn die Eltern entspannt sind, dann sind es die Kinder auch. Denn Kinder sind die Spiegel der Seelen der Eltern. Um Druck und Angst rauszunehmen, können Eltern ihre Unterstützung auch direkt anbieten: „Wie können wir dir helfen, dich besser zu organisieren oder die Zeit im Blick zu behalten?“.
Außerdem ist es wichtig, dass die Kinder einbezogen und die Dinge im Dialog gestaltet werden. Anstatt zu fragen: „Wieso hast du noch nicht deine Hausaufgaben gemacht?“ ist es besser, dem Grund oder den Stolpersteinen nachzugehen: „Was hindert dich heute daran, deine Hausaufgaben zu machen? Was brauchst du, damit es besser geht?“.
5 Tipps für Eltern kurz zusammengefasst
1. Das Gespräch suchen, um Frustration und Überforderung frühzeitig zu erkennen
Achten Sie auf Vermeidungsverhalten, Unlust und negative Äußerungen wie "Schule macht keinen Spaß" oder "Das kann ich sowieso nicht." Ein offenes Gespräch hilft oft, die Ursache der Unzufriedenheit zu verstehen.
2. Positives Feedback und Lob für den Einsatz, nicht die Persönlichkeit
Vermeiden Sie es, Aussagen über die Persönlichkeit Ihres Kindes zu machen, wie „Du bist schlau!“. Loben Sie stattdessen gezielt die Anstrengung: „Toll, wie viel Mühe du dir gegeben hast!“. Dieses Lob bezieht sich auf den (Lern-)Einsatz des Kindes und hilft ihm, Rückschläge als Herausforderung anzusehen und nicht als persönliche Schwäche.
3. Sich selbst als Eltern reflektieren
Hinterfragen Sie Ihre eigenen Erwartungen und Emotionen. Sind es Ihre Ansprüche oder ungelöste Themen aus Ihrer Kindheit, die Sie stressen? Klären Sie für sich, was Ihre Motivation ist und ob Sie eventuell überhöhte Erwartungen an die schulische Leistung Ihres Kindes haben.
4. Offene Kommunikation auf Augenhöhe und gemeinsam Lösungen finden
Fördern Sie eine Kommunikation auf Augenhöhe, indem Sie das Wohlbefinden des Kindes vor die Noten stellen. Sprechen Sie offen über mögliche Stressfaktoren und bieten Sie Unterstützung an („Was brauchst du, damit es besser geht?“). Ein entspannterer Umgang mit schulischen Anforderungen – ohne Leistungsdruck – kann das Selbstvertrauen und den Lernwillen stärken.
5. Die Lernpersönlichkeit Ihres Kindes herausfinden
Jedes Kind hat eine individuelle Art, zu lernen, die u. a. mit der Dominanz der linken oder rechten Gehirnhälfte zusammenhängt. Achten Sie auf die Bedürfnisse und den Lernstil Ihres Kindes und passen Sie die Lernstrategien an. Ein Lerncoaching kann helfen, die individuellen Stärken und Lernstrategien Ihres Kindes herauszufinden.
Produktangebot: Beratung & Lerncoaching
Themen wie Schule, Lernen und Hausaufgaben zählen zu den größten Stressfaktoren bei Familien mit Schulkindern. Die Schulaufgaben zu begleiten und die Lernmotivation der Kinder aufrechtzuerhalten kann oft zu Herausforderungen führen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Unterstützung und Selbstständigkeit zu finden ist daher essenziell.
Hierbei unterstützen die Elternberater:innen des pme Familienservice mit langjähriger Coaching-Erfahrung und den neuesten praxisorientierten Erkenntnissen Eltern dabei, die Lernmotivation ihrer Kinder aufrechtzuerhalten und Lernmethoden anzuwenden.
In diesem Zuge greifen wir auf die Expertise unseres langjährigen Kooperationspartners Lernladen Leipzig sowie unseres Online-Nachhilfe-Anbieters "bidi" zurück. Zu unseren Fachvorträgen, Coachings und Ferienprogrammen werden regelmäßig Fachexpert:innen aus der Praxis eingeladen, wie Schulleiter:innen, Lehrer:innen und Pädagog:innen.