Wer in Zukunft die Bilanz seines Unternehmens verbessern will, muss auf Menschlichkeit setzen. Das bedeutet: Führungskräfte brauchen neue Fähigkeiten. Die Herausforderungen sind groß.
Steigende Komplexität, Beschleunigung, Alterung der Gesellschaft, Diversität, mehr Vernetzung und Flexibilität: Der gesellschaftliche Wandel betrifft vor allem die Führung. Bewerber fragen bereits jetzt in Vorstellungsgesprächen nach flexibler Arbeitszeitgestaltung, Mitarbeiter fordern bei ihren Vorgesetzten mehr Entscheidungsfreiräume und Mitspracherecht.
Für den entscheidenden Wandel in der Arbeitskultur wird aber nach Einschätzung des deutschen Trend- und Zukunftsforschers Sven Gàbor Janszky vor allem eine Gruppe von Mitarbeitern sorgen: Menschen mit befristeten Verträgen, die oft und schnell ihre Arbeitgeber wechseln. Diese werden laut Jansky im Jahr 2025 ganze 40 Prozent der Unternehmenswelt ausmachen. Diese Mitarbeiter kennen keine 40-Stunden-Woche, keine Stechuhren oder geregelten Urlaubszeiten. Sie sind es gewohnt, selbstständig zu arbeiten und haben kein Problem damit, einen Job abzulehnen, wenn er sie schlicht und ergreifend nicht interessiert. Die Prognose Janszkys deckt sich mit den Ergebnissen der aktuellen StepStone Trendstudie 2016, die unter rund 17.000 Fach- und Führungskräften in Deutschland durchgeführt wurde. 80 Prozent der Befragten gaben an, eine passende Stelle abzulehnen, sollten sie sich nicht mit dem Unternehmen identifizieren können.
„Wir dürfen den Anschluss nicht verpassen!“
Unternehmen müssen also ihre Führungskultur dem gesellschaftlichen Wandel anpassen, wenn sie die besten und klügsten Köpfe weiterhin für sich gewinnen wollen: weniger hierarchisch mit verständnisvollen Chefs, die die Kunst der Motivation beherrschen. Kurzum: Führung muss menschlicher werden. Daher sollten die Mitarbeiter bei den Führungskräften schon längst im Fokus stehen. Eigentlich. Denn die Schere zwischen dem, was sich Mitarbeiter von ihrer Führungskraft wünschen und der Realität steht noch weit offen.
Wie weit zeigen die Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, für die 400 Führungskräfte in Tiefeninterviews befragt wurden. Der Großteil der Manager kritisiert den Top-Down-Führungsstil und hält ihn für längst überholt. Jeder dritte Manager ist sogar davon überzeugt, dass die „Ich Chef, du Angestellter!“-Einstellung „einen entscheidenden Nachteil im Ringen um Bindung und Gewinnung von Talenten“ ist. Die Situation sei mit einem „anfahrenden Zug vergleichbar: Die Gefahr, den Anschluss zu verpassen, nehme kontinuierlich zu.“ Wichtig werde es vor allem, dass Führungskräfte „in beweglichen Führungsstrukturen“ arbeiten und flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter reagieren können.
Flexibel auf Herausforderungen reagieren: 5 Führungstrends
Doch wie erreicht man den Umbau von einer hierarchisch geprägten Firma hin zu einem Arbeitgeber, bei dem Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen? Welche Wege müssen Führungskräfte einschlagen, damit sie auch in Zukunft erfolgreich Mitarbeiter gewinnen und für ihre Sache begeistern können?
Steig ein ins Boot
Identifikation mit dem Unternehmen wichtiger denn je
Auch Sabine Diefenbach ist davon überzeugt, dass das Prinzip Command und Control ein Relikt der Vergangenheit ist. Sie ist Beraterin in Führungsfragen und Gründerin des Unternehmens generation guide, das Firmen in Fragen der Work-Life-Balance seit vielen Jahren berät und begleitet. „Führungskräfte müssen zukünftig sehr stark über die Beziehungsebene führen können. Das heißt aber nicht einfach `eine gute Beziehung führen´ – sich also gut verstehen. Die Qualität der Beziehung wird gekennzeichnet sein durch Offenheit und Ehrlichkeit. Sie müssen ihre Mitarbeiter ins Boot holen und für die Ziele des Unternehmens begeistern können. Das bedeutet, Mitarbeiter müssen stärker als bisher in Produktentwicklungen einbezogen werden.“ Während es also früher darum ging, klare Anweisungen und Umsatzziele zu formulieren, geht es zukünftig vor allem darum, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren und sie für die Sache zu begeistern – zum Beispiel, indem sie mit ihren Teams gemeinsam Ziele und den Weg dahin formulieren.
Geh bitte!
Bilden Sie Ihre Mitarbeiter aus und entlassen Sie sie!
Das mag zunächst etwas absurd klingen. Laut Trendforscher Janzsky sorge diese neue Art der Führungspolitik jedoch dafür, dass Unternehmen auch auf einem mager gefüllten Arbeitsmarkt die besten Mitarbeiter für sich gewinnen. Auch Sabine Diefenbach ist davon überzeugt, dass es zukünftig nicht mehr darum gehe, Mitarbeiter möglichst lange im klassischen Sinne an sein Unternehmen zu binden. „Eine neue Aufgabe von Führungskräften wird sein, ihre Mitarbeiter in ihrer beruflichen Weiterentwicklung voran zu bringen und den Weg für einen Jobwechsel innerhalb oder außerhalb des Unternehmens frei zu machen, sobald sie ihre Kompetenzen woanders besser einbringen können“, erklärt die Führungsberaterin. Ein solcher Schritt erhöhe immens das Vertrauen des Mitarbeiters in seinen Arbeitgeber. Und gute Mitarbeiterführung spricht sich schließlich in beruflichen Netzwerken herum. So lassen sich freie Stellen durch eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda auch schneller wiederbesetzen. Das bedeutet aber auch, dass Führungskräfte zukünftig noch stärker ihren Fokus auf den Aufbau eines guten beruflichen Netzwerks richten müssen.
Mach doch, was du willst!
Nutzen Sie die Querkompetenzen Ihrer Teammitglieder
Eine weitere Aufgabe von Führungskräften wird es sein, Mitarbeiter gezielt in Bereiche einzuführen, in denen sie sich nicht auskennen, um so ihre Querkompetenzen zu nutzen. Laut Jansky habe das einen hohen Einfluss auf die Motivation und Kreativität im Job. Dass sich dieses Prinzip bewährt – Mitarbeiter das tun zu lassen, was sie tun wollen –, zeigte Google bereits eindrucksvoll. Jeden fünften Tag, also einen Tag pro Woche, durften die Ingenieure und Programmierer von Google für ein Projekt ihrer Wahl arbeiten. Google gab zwar zu, dass die meisten Projekte im Sande verliefen. Jedoch entstanden aus diesem Modellprojekt erfolgreiche Dienste wie Google Maps, Gmail und AdSense, die dem Konzern noch heute Milliarden einbringen.
Wie geht es dir heute?
Ohne Work-Life-Balance geht es nicht mehr
Früher musste ein Job vor allem eins sein: gut bezahlt. Heute nehmen junge Fachkräfte Einbußen beim Gehalt in Kauf, wenn sie dadurch mehr Freizeit haben. Geld und Karriere sind im Wertesystem der jungen Fachkräfte weit hinter einer gesunden Work Life Balance abgeschlagen. Für Führungskräfte bedeutet das, dass sie ihre Mitarbeiter in allen Lebensphasen unterstützen müssen – und ihnen beispielsweise nicht nur den Wiedereinstieg nach der Elternzeit, sondern auch den anschließenden Spagat zwischen Kindergarten, zu pflegenden Angehörigen und dem Job erleichtern.
Bleib noch ein bisschen!
Lassen Sie Ihre älteren Mitarbeiter nicht einfach gehen
Die Zeiten, in denen ältere Mitarbeiter nahezu mühelos durch qualifizierten Nachwuchs ersetzt werden konnten, sind – angesichts des demographischen Wandels – vorbei. Janszky skizziert dem deutschen Management eine einfache wie erschreckende Prognose. Er schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren ca. 6,5 Millionen Menschen vom deutschen Arbeitsmarkt verschwinden und zwischen 2,0 Mio und 5,2 Mio. unbesetzte Stellen hinterlassen. Die Lösung für das aufdrückende Problem liegt nahe: „Um den Fachkräftemangel abzufedern, sollten Unternehmen unbedingt das Potenzial der älteren Mitarbeiter nutzen und mit der nächsten Generation in Einklang bringen“, sagt Diefenbach. „Dafür ist es wichtig, vor allem jungen Führungskräften eine altersgerechte Führung nahezulegen, bevor sie eine solche Aufgabe wahrnehmen.“
Führungskräfte wünschen sich persönliches Coaching
Die Anforderungen an die Führungskräfte sind immens. Aktuelles Fachwissen, berufliche Netzwerke und ein persönliches Standing sind wesentliche Voraussetzungen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Keine leichte Aufgabe. Und so kommen auch die 400 befragten Führungskräfte in der eingangs erwähnten Studie des Arbeitsministeriums zu dem Ergebnis, dass sie für eine neue Führungskultur die Möglichkeit zur Reflexion brauchen. Aus diesem Grund schätzen viele der Manager das persönliche Coaching und den Austausch untereinander. Ob im Rahmen von Führungswerkstätten, Trainings oder moderierten Diskussionen: der gemeinsame Diskurs zur gelebten Unternehmenskultur wird zum unverzichtbaren Instrument für das Gelingen eines Paradigmenwechsels im Führungsalltag.
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