Unsicherheit als neue Konstante: wie HR den Wandel steuert
Human Resources (HR) kommt eine strategische Schlüsselrolle zu, wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens geht. KI, fehlende Fachkräfte und demografischer Wandel erfordern von Management und Beschäftigten neue Kompetenzen und Fähigkeiten. Die größte Herausforderung, mit der HR-Leader in den kommenden fünf Jahren rechnen: Unsicherheiten. Wir haben Führungskräfte-Trainerin Astrid Lethert gefragt, wie HR ihr Unternehmen gut durch die Transformation begleiten können.
HR-Teams sehen sich heute mehr Veränderungen, Unsicherheiten und komplexen Herausforderungen gegenüber als je zuvor. Künstliche Intelligenz beschleunigt die Digitalisierung der Arbeitsplätze und die Automatisierung vieler Arbeitsprozesse – und das heißt, dass viele neue Jobs und digitale Geschäftsmodelle entstehen und viele alte überflüssig werden oder bereits sind.
Als wäre das nicht genug Change, wartet noch eine weitere Herausforderung auf die Personalabteilungen: fehlendes Fachpersonal. Das ist nicht neu. Allerdings zeichnet der Trend-Report „HR-Budget 2025“ von HeyJobs und trendence ein ziemlich düsteres Bild, wo wir beim Thema Fachkräftemangel stehen: „Der Arbeitsmarkt verzeichnet im vergangenen Jahrzehnt einen deutlichen Anstieg an unbesetzten gemeldeten Stellen. Dieser lag 2013 noch bei 345.000. Bis 2023 hatte sich diese Anzahl nahezu verdoppelt und lag seinerzeit bei gut 610.000 Stellen – Tendenz steigend – im Ausbildenden-Bereich genauso wie im Umfeld berufserfahrener Arbeitskräfte. (..) Die passenden Menschen für die Zukunft zu finden wird maßgeblich den Unternehmenserfolg der Zukunft bestimmen. In anderen Worten: Es kommt auf HR an."
Auf einen weiteren großen Change, der in den Startlöchern steht, weist das „Trend Barometer: People Management 2030“ der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft (PwC) hin: „Auch der demografische Wandel nimmt jetzt greifbare Gestalt an und stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen: Zuwanderung, alternde Mitarbeiterschaft und Ausscheiden großer Teile der Belegschaft sowie eine jüngere Generation mit ganz neuen Vorstellungen“.
„HR wird zu einem entscheidenden Treiber für Veränderungen“
KI, Fachkräftemangel, Demografie: Inmitten dieser Veränderungen ist die HR-Abteilung ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die erfolgreiche Umsetzung von Transformationen. HR entwickelt Strategien zur Fachkräftegewinnung und -haltung, Mitarbeitermotivation und Bewältigung von Widerständen – schafft also einen Rahmen, um den Wandel zu gestalten.
Studie: HR-Trends – Die Zukunft der Personalarbeit, Seite 8.
Drei von vier HR-Leadern (78 Prozent) würden gerne den Fokus auf Strategien und mitarbeiterorientierte Aktivitäten statt auf Verwaltung und Prozesse legen. Das ist das Ergebnis der Studie „HR-Trends – Die Zukunft der Personalarbeit“, bei der 1.000 HR-Profis zur Zukunft der Personalarbeit befragt wurden. Die größte Herausforderung, mit der Führungskräfte in den kommenden fünf Jahren rechnen, sind Unsicherheiten. Personalplanung rückt also auf die Ebene des Change- und Transformationsmanagements: "Bis zum Jahr 2030 werden fast alle Funktionen des People Management signifikant weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei stehen vor allem das Recruiting, die Mitarbeitendenqualifizierung sowie das Transformations- und Change-Management im Fokus eines zukunftsorientierten People Management", ist sich auch Till R. Lohmann sicher, Leiter des Bereichs People & Organisation Consulting bei PwC Deutschland.
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Interview: „Es braucht eine Haltung für erfolgreiches Change-Management“
HR hat in Zukunft eine extrem wichtige Rolle, ist sich Führungskräfte-Trainerin Astrid Lethert sicher. Wir haben sie gefragt, wie HR-Manager:innen Beschäftigte und Management gut durch die Transformation begleiten können.
Wie lange bist du schon als Trainerin in Unternehmen unterwegs?
Astrid Lethert: Ich arbeite seit über 20 Jahren als Trainerin und Beraterin. Am häufigsten angefragt werde ich für die Personal- und Organisationsentwicklung in Veränderungsprozessen. Immer eine sehr spannende Aufgabe.
Wie ist dein Eindruck? Sind Unternehmen auf die großen Herausforderungen KI, Generationenmanagement und Fachkräftemangel vorbereitet?
Die Coronakrise hat die Unternehmen sensibilisiert, weil damals viele Entscheidungen unter großen Unsicherheiten getroffen werden mussten. Allgemein kann ich aber nicht sagen, die Unternehmen sind gut oder schlecht auf den Change vorbereitet. Da gibt es große Unterschiede. Das Bewusstsein für Herausforderungen ist da, und einige Unternehmen gehen das sehr professionell und strategisch an.
Wo siehst du Verbesserungsbedarf bei den Unternehmen?
Viele könnten sich von außen hin und wieder einen frischen Blick und eine Expertise außerhalb der Organisation holen. Nicht nur durch externe Dienstleister, sondern durch die Vernetzung und den Austausch mit anderen Unternehmen. Das wäre aus meiner Sicht etwas, was den Organisationen weiterhelfen würde.
Welche Herausforderung siehst du als die größte an?
Generationenmanagement halte ich für absolut wichtig. Die Unternehmen werden erst in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirklich merken, was es bedeutet, wenn die Boomer in Rente sind – und mit ihnen ihr organisationales Wissen. Zum einen haben die Boomer viele Veränderungsprozesse erlebt und nehmen diese Erfahrungen dann mit. Zum anderen sind sie sehr gut in der Firma vernetzt und kennen ihre Kolleg:innen und Kund:innen gut. Und hier sehe ich ein Risiko, das die Künstliche Intelligenz mit sich bringt: Weil KI vermeintlich schnell Aufgaben für uns löst, vergessen wir, dass sie menschlichen Kontakt, Beziehungen und Netzwerke niemals ersetzen kann.
Welche Skills sind jetzt wichtig für HR, um den Wandel erfolgreich zu moderieren?
HR muss in der Lage sein, Change-Management-Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Dabei ist eine zentrale Aufgabe, die Führungskräfte entsprechend zu coachen und gut durch den Prozess zu begleiten, auch durch unsichere Phasen. In jedem Change-Prozess gibt es Widerstand, das ist Standard. Das ist keine Überraschung und auch kein Zeichen dafür, dass dies ein schlechter Change ist. Führungskräfte müssen das aushalten können, und deshalb ist es wichtig, dass die Personalabteilung sie gut berät und begleitet. HR initiiert und die Führungskräfte setzen um.
Wichtig ist auch, dass HR mit dem C-Level eng zusammenarbeitet – also CEO, CFO, CTO, COO –, um sicherzustellen, dass der Change strategisch und „von oben“ mitgetragen wird.
Das heißt, HR spielt in Zukunft eine tragende Rolle und setzt den Change erst in Gang?
HR hat in Zukunft eine extrem wichtige Rolle. Deshalb geht es beim nächsten „War of Talents“ darum, fähige Personalstrategen zu finden. Denn davon gibt es nicht viele.
Stichwort resiliente Teams. Je resilienter mein Team ist, desto eher ist es vorbereitet für einen Change, oder?
Ja, natürlich. Aber resiliente Teams bekommt man nicht von heute auf morgen.
Was zeichnet ein resilientes Team aus?
Es gibt Schlüsselfaktoren für resiliente Teams. Wichtig ist, dass das Team sich einig ist über die Abstimmungsprozesse: Was besprechen wir? Wie treffen wir Entscheidungen? Wie sind unsere Routinen? Resiliente Teams zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich empathisch zuhören und die anderen Teammitglieder ernst nehmen. Resiliente Teams haben Ziele und Werte, auf die sie sich committen, und gleichzeitig sind sie in einem hohen Maße anpassungsfähig, wenn sich die Bedingungen ändern.
Und dann gibt es noch den Punkt Vertrauen und psychologische Sicherheit. Ein Team ist nur dann resilient und widerstandsfähig, wenn die Teammitglieder eine psychologische Sicherheit haben. Dazu gehören eine positive Fehlerkultur, Zusammenhalt und dass die Teammitglieder aktive Verantwortung übernehmen.
Klingt nach einer großen Aufgabe und danach, als seien die Themen „Psychologische Sicherheit“ und „Resilienz“ nicht mit einem Workshop erledigt.
Ja, das ist ein aktiver Prozess, und es dauert ca. drei Monate, bis die Grundpfeiler stehen: So wollen wir Entscheidungen treffen. So gehen wir mit Fehlern um. Das sind unsere Werte und Ziele. Am Laufen hält man das, indem das Team immer wieder Retrospektiven macht und Resümee zieht: Wie läuft es? So weitermachen oder doch anders? So wird das früher oder später zum Selbstläufer.
Zusammenfassend: Was sind die Voraussetzungen für erfolgreiches Change-Management in den nächsten Jahren?
Es braucht eine Haltung. Und zwar die, dass Veränderungsprozesse zu unserem Berufs- und Privatleben gehören. Und dass ein Veränderungsprozess kein One-Hit-Wonder ist und man sagt: „So, jetzt haben wir einen großen Veränderungsprozess hinter uns gebracht, und nun haben wir es geschafft!”. Es braucht die Offenheit dafür, dass Change ein laufender Prozess ist. Change macht immer Arbeit und braucht viel Aufmerksamkeit und auch Management-Attention. Aber Veränderungen sind etwas Positives, wenn man sie mitgestaltet.
Für Führungskräfte, die sich für ein Training zu Change-Management beim pme Familienservice interessieren: Kannst du Einblick geben in die Inhalte?
Die Auftragsklärungen sind immer sehr individuell. Wir schauen zuerst gemeinsam mit der Führungskraft und dem Team, was das Team braucht. Es gibt eine Projektgruppe mit Teilnehmenden aus dem Team, die das mitgestaltet. Und das ist niemals nur ein einzelner Workshop, sondern ein Prozess, bei dem wir mal mit größeren, dann wieder mit kleineren Gruppen arbeiten. Wir machen auch Gruppencoachings zwischendurch, um zu schauen, welche Themen stärker in den Fokus genommen werden sollen. Und wir prüfen während des Prozesses immer wieder, was die Projektgruppe gerade braucht, welches Format hierfür gut wäre und wer dafür wichtig ist.
Wir beraten und untersützen HR und Management zu den Herausforderungen woe Generationenwechsel, Krisen-Management, Organisations-Resilienz: systemisch, lösungsorientiert und praxisnah
Mehr Infos: Change Management Beratung
Studien & Quellen:
HR-Monitor 2024. Trends und Perspektiven im Personalwesen. McKinsey & Company (2024).
Trend-Report: HR-Budget 2025. Trendence, HeyJobs (2024).
https://www.pwc.de/de/workforce-transformation/trend-barometer-people-management-2030.html