Mentale Gesundheit: Warum Arbeitgeber darauf achten sollten
Mental Health matters! Drei von vier Menschen leiden an einer mentalen Erkrankung oder kennen persönlich jemanden, der davon betroffen ist. Umso wichtiger ist es für Arbeitgeber, sich mit diesem Thema stärker auseinanderzusetzen. Wir zeigen Ihnen, was Unternehmen tun können, um die psychische Belastung ihrer Mitarbeiter:innen zu reduzieren und sie in mentalen Krisen zu unterstützen.
Wir alle haben mindestens einmal im Leben mit psychischen Krankheiten zu tun – entweder weil wir selbst darunter leiden, oder weil es jemanden aus der Familie, dem Freundeskreis oder dem Arbeitskollegium betrifft.
Vor allem die Corona-Pandemie verlangte von Menschen jeden Alters viel ab – auf anfängliche Panik folgten Isolation, Doppelbelastung, Angst und später Unmut, aber auch Hoffnung: eine Achterbahnfahrt für die Psyche.
Was heißt es, mentale Probleme zu haben?
Die menschliche Psyche ist sehr komplex, und so sind es auch die Krankheitsbilder und Therapieformen.
Darunter fallen leichte oder mittelschwere Angstzustände, Störungen durch Drogen- oder Alkoholkonsum bis hin zu schweren Störungen wie akuten oder chronischen Depressionen, bipolaren Störungen und Schizophrenie.
Einige Störungen treten nur für eine bestimmte Zeit auf, beispielsweise aufgrund eines kurzzeitigen erhöhten Stresslevels oder eines traumatischen Erlebnisses. Andere Menschen haben ihr Leben lang mit mentalen Problemen zu kämpfen. Bei einigen Krankheitsbildern helfen Medikamente sehr gut, wenn sie richtig eingestellt sind, bei anderen Menschen verschiedene Formen von Therapien wie die Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Voraussetzung ist, dass sich die Betroffenen helfen lassen.
Zum Artikel: „Psyche und Arbeit: Was Führungskräfte tun können.“
Psychische Krankheiten sind alles andere als selten
„Eine gute mentale Verfassung gehört zu einem guten und gesunden Leben dazu. Sie bildet die Basis für ein glückliches, vollkommenes und produktives Leben“. So steht es im Report von OECD und Europäischer Union (2018) zur mentalen Gesundheit der europäischen Bevölkerung.
Aber was ist, wenn man nicht so tickt wie in einer perfekten Werbeanzeige?
Was vielleicht wenige wissen: Psychische Krankheiten sind alles andere als selten. Die EU-Studie bestätigt, dass im Jahr 2016 etwa jeder Sechste in der Europäischen Union (17,3 Prozent) unter mentalen Problemen litt. Das sind 84 Millionen Bürger:innen. Davon stellen Angstzustände (25 Millionen) und Depressionen (21 Millionen) die häufigsten Erkrankungen dar.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Bundesweit schätzt die WHO die Zahl der Menschen mit Depressionen auf 4,1 Millionen. 4,6 Millionen Menschen lebten mit der häufiger vorkommenden Angststörung. Insgesamt leiden laut dgppn knapp 18 Millionen Menschen unter einer psychischen Erkrankung. Dazu gehören auch Störungen, die beispielsweise durch den Konsum von Alkohol oder Drogen hervorgerufen werden, bipolare Störungen und Schizophrenie.
Hoher Anstieg psychischer Erkrankungen durch Corona
Eine im Mai 2021 durchgeführte Meta-Analyse verschiedener Studien aus den Jahren 2020 bis 2021 belegt, wie Depressionen und Angststörungen unter der Weltbevölkerung während der Corona-Pandemie deutlich zunahmen. Litten lt. Statista im Jahr 2017 noch 3,4 Prozent der weltweiten Bevölkerung an Depressionen und 3,7 Prozent an Angststörungen, waren es während der Krise 28 bzw. 27 Prozent.
Psychische Krankheiten können jeden treffen
Psychische Krankheiten können jeden treffen – vom Manager bis zum Schulkind. Die Studie der Initiative Neue Qualität der Arbeit im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2020 stützt die Ergebnisse der WHO: Drei von vier Deutschen leben mit einer psychischen Störung oder kennen mindestens eine Person, die daran leidet.
Fakt ist: wir wissen zu wenig über psychische Krankheiten. Es gibt noch einen großen Aufklärungsbedarf mithilfe von Unternehmen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie der „Woche der seelischen Gesundheit“, aber auch von politischen Treibern. Noreen Thiel, 18-jährige Politikern aus Berlin-Lichtenberg, machte mentale Gesundheit zum Wahlkampfthema bei der letzten Bundestagswahl. In einem Interview mit der Zeitschrift GQ sagte sie: ”Es kann nicht sein, dass man in einem so weit entwickelten Land diffamiert und abgestempelt wird, nur weil man psychisch krank ist”.
Warum mentale Gesundheit ein Thema für Arbeitgeber ist
Unternehmer und Start-up-Investor Carsten Maschmeyer gestand kürzlich, in Folge einer mehrjährigen Tablettensucht an Depressionen gelitten zu haben. Er sagte in einem Interview in Gründerszene: „Ein mental krankes Mitglied im Gründerteam schwächt das ganze Unternehmen“. Klingt hart, aber darin liegt ein Funken Wahrheit. Auch wenn er mit seiner Aussage vorrangig Bezug auf die arbeitsintensive Start-up-Szene nimmt, lässt sich das problemlos auf jeden Unternehmensbereich übertragen. Ist ein Teil des Teams nicht einsatzfähig, so kann es die Arbeitsfähigkeit des gesamten Teams schwächen – sei es auf dem Bau durch einen gebrochenen Arm oder am Schreibtisch aufgrund einer mentalen Erkrankung.
Laut des WHO-Berichts arbeiten Menschen, die an einer psychischen Krankheit leiden, weniger effektiv, sind weniger erfolgreich im Berufsleben, haben ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden, und leiden häufiger unter körperlichen Gebrechen.
"Ein mental krankes Teammitglied schwächt das ganze Unternehmen"
Bleiben psychische Krankheiten unbehandelt, kann dies also negative Auswirkungen auf das gesamte Arbeitsverhalten haben – von einer eingeschränkten Einsatzbereitschaft über fehlende Motivation, Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeit bis hin zu physischen gesundheitlichen Folgen. Depressive Menschen sterben nachweislich früher, beispielsweise durch Suizid. Tatsächlich ist laut Deutscher Depressionshilfe eine Depression der häufigste Grund für einen Suizid.
Bricht man nun die offiziellen Zahlen von WHO, OECD und dgppn auf ein mittelständisches Unternehmen mit 1000 Beschäftigten herunter, wären es über 200 Teammitglieder, die an einer psychischen Erkrankung leiden, die ihre Einsatzfähigkeit mehr oder minder beeinträchtigt. Der Ausfall gut eingearbeiteter Fachkräfte kann für Unternehmen demnach ziemlich teuer werden.
Was kann also ein Unternehmen dafür tun, dass es den einzelnen Teammitgliedern gut geht, und wie erkennt ein Arbeitgeber eine psychische Erkrankung, bevor es zum Ausfall kommt?
Wie Arbeitgeber die mentale Gesundheit ihrer Teammitglieder stärken können
Das Thema „Mentale Gesundheit“ ist mit viel Scham behaftet. Betroffene befürchten, dass ein Outing auf Unverständnis im Team oder bei Vorgesetzten stößt, gelten in der Arbeitswelt psychische Erkrankungen doch häufig als Leistungs- und Willensschwäche. Die Furcht vor Ausgrenzung und dem Stigma des „Bekloppten“ ist oft zu hoch.
Vielen Betroffenen fällt es schwer, selbst nach Hilfe zu fragen – oder sie merken es vielleicht selbst nicht, bis es zu spät ist. Eine vorzeitige Intervention seitens des Arbeitgebers ist da sehr hilfreich.
Diplom-Psychologin Mandy Simon weiß, was Sie als Arbeitgeber tun können, um Ihre Teammitglieder bei mentalen Problemen zu stützen:
Transparent kommunizieren
Machen Sie deutlich, dass Sie das Thema „Mentale Gesundheit“ ernst nehmen, indem Sie transparent kommunizieren, welche Unterstützung Sie im Fall der Fälle für Ihre Teammitglieder anbieten. Das senkt die Hemmschwelle, sich zu öffnen und Hilfe anzunehmen.
Probleme vertraulich ansprechen
Seien Sie sich bewusst, dass es für Beschäftigte oft große Überwindung kostet, aktiv auf ihre Probleme hinzuweisen.
Sprechen Sie Veränderungen, die eventuell auf tiefergreifende mentale Probleme hinweisen, vertraulich und nicht zwischen Tür und Angel an. Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Was möchte ich ansprechen? Welche Veränderungen zum Beispiel hinsichtlich der Arbeitsqualität sind mir aufgefallen? Was hat sich im Verhalten der Person sozial und emotional verändert? Es geht nicht darum, Diagnosen zu stellen. Denken Sie daran: „Wer das Ohr beleidigt, erreicht das Herz nicht mehr“.
Bilden Sie sich regelmäßig fort
Regelmäßige Fortbildungen zum Thema „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ helfen Ihren Führungskräften, frühzeitig Veränderungen bei deren Beschäftigten zu erkennen, dies adäquat anzusprechen und weitere Hilfe anzubieten.
Ein professionelles BGM kann unterstützen
Eine weitere Unterstützung sind Fortbildungen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements Ihres Unternehmens zu den Themen Stressbewältigung, Zeitmanagement, Resilienz und Achtsamkeit.
Nutzen Sie ein externes EAP
Nutzen Sie die Möglichkeit einer externen Mitarbeiterunterstützung, um Ihren Teammitgliedern persönliche Beratungsoptionen bei beruflichen oder privaten Problemen anzubieten. Die telefonische 24-Stunden-Erreichbarkeit einer solchen Einrichtung entlastet nicht nur Sie und Ihr Unternehmen, sondern auch Ihre Beschäftigten, denn Notfälle kennen keinen Terminkalender.
Gut zu wissen: Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist arbeitsschutzgesetzliche Pflicht
Seit 2013 müssen Arbeitgeber:innen die Gefährdungen ermitteln, die sich für ihre Beschäftigten aus den psychischen Belastungen bei der Arbeit ergeben.
Zum Artikel: Nutzen und Empfehlungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:
Depressionen: "Ein Angehöriger ist kein Therapeut!"
Burnout: "Wie ein freier Fall ins völlige Chaos"
Wie Sie mit psychisch belasteten Mitarbeitern umgehen