Nur 1 von 10 Unternehmen bietet Sabbaticals an
Jedes Unternehmen regelt also selbst, ob seine Mitarbeiter eine Auszeit nehmen können oder nicht. In Deutschland bietet nur ein Unternehmen von zehn bislang eine solche Möglichkeit. Die meisten Arbeitnehmer in Deutschland können also weiterhin nur davon träumen, sich ein paar Monate Leidenschaften zu widmen, für die sie zwischen Schreibtisch und Zubettgehen meist keine Zeit haben.
Schade eigentlich - vor allem für die Unternehmen. Denn ein Sabbatical bringt nicht nur Vorteile für den Mitarbeiter. Der Chef bekommt ein routiniertes Teammitglied zurück mit neuen Erfahrungen, neuer Motivation und stärkerer Verbundenheit.
Die Forscher Philip Wotschack und Claire Samtleben vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sind fest davon überzeugt, dass Sabbaticals eine wichtige familien- und sozialpolitische Funktion haben. In ihrer Studie sind sie deshalb der Frage nachgegangen: Würde ein Rechtsanspruch auf Sabbatjahre zur Verbesserung der Umsetzung beitragen?
Vorreiter Belgien: Sabbatical per Gesetz ein Erfolgsmodell
Ihren Blick haben die beiden Forscher aus Berlin nach Belgien gerichtet. Denn dort haben Arbeitnehmer schon seit 1985 die gesetzlich garantierte Möglichkeit, sich eine Auszeit zu nehmen. Die Nutzerzahlen mögen zunächst stutzig machen: Nur drei Prozent aller Arbeitnehmer nehmen pro Jahr ein Sabbatical in Anspruch. Klingt wenig, ist es aber laut der Forscher nicht, wenn man bedenkt, „dass es sich beim Sabbatical um eine Entscheidung handelt, die langfristig geplant ist und nur zu bestimmten Zeitpunkten im Erwerbsverlauf sinnvoll ist (...). Zugleich wird deutlich, dass ein Sabbaticalangebot keineswegs dazu führt – und das wird von Arbeitgebern häufig befürchtet –, dass alle Interessenten es gleichzeitig nutzen.“
Sabbatical per Gesetz – auch ein Modell für Deutschland?
Scheint also ganz so, als sei das Sabbatical per Gesetz ein voller Erfolg für beide Seiten: für Arbeitnehmer und -geber. So einfach ist es dann doch nicht. Denn ein Blick auf die Mitarbeitergruppen, die eine Auszeit nutzen, lassen die Berliner Forscher drei Problemfelder erkennen:
1. Nur wer Geld hat, kann sich ein Sabbatical leisten!
Eine Auszeit ist ein Privileg und kostet Geld! In den allermeisten Fällen erhalten die Arbeitnehmer während eines Sabbaticals kein Gehalt. Beschäftigte mit niedrigen Einkommen und in untypischen Arbeitsverhältnissen nutzen deshalb deutlich weniger ein Sabbatical, weil sie eine finanzielle Überbrückung der Auszeit nicht leisten können. Dass der finanzielle Aspekt eine große Hürde darstellt, lässt die Sabbatical-Studie des Karrierenetzwerks XING vermuten: Ab einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro haben überdurchschnittlich 14,4 Prozent der Befragten bereits eine Auszeit genommen und liegen damit deutlich über den Angaben der niedrigeren Einkommensgruppen.
2. Viele arbeiten nach der Auszeit in Teilzeit oder steigen ganz aus
Mit der Nutzung des Sabbaticals geht oft eine geringere Arbeitsmarktbeteiligung einher. „Von den 80 Prozent der Beschäftigten, die vor der Freistellung Vollzeit arbeiteten, waren danach nur noch 50 Prozent vollzeitbeschäftigt, fünf Prozent verließen den Arbeitsmarkt sogar ganz“, schreiben die Forscher. Natürlich lässt sich hierbei nicht wirklich feststellen, ob diese Menschen ihre Arbeitszeit nicht auch ohne Sabbatical reduziert hätten.
3. Wer im Sabbatjahr war, verdient häufig danach weniger als seine Kollegen
Längsschnittuntersuchungen zeigen, dass ein Sabbatjahr häufig mit Gehaltsverlusten einhergeht. Wer ein Jahr keinen Fuß ins Büro gesetzt hat, verdient danach weniger als die Kollegen. Kürzere Auszeiten haben dabei einen deutlich geringeren negativen Effekt.
Was braucht es für eine Sabbatical-Gerechtigkeit?
Das Beispiel Belgien zeigt: Ein Rechtsanspruch mit finanzieller und sozialer Absicherung erhöht die Nutzung von Sabbaticals, da es allen formal zugänglich ist. „Die Erfahrungen aus Belgien machen aber auch deutlich, dass soziale Ungleichheiten bei der Nutzung von Sabbaticals auch unter den dort geltenden Regelungen problematisch sind“, so die Forscher Samtleben und Wotschak und legen drei Voraussetzungen fest:
1. Finanzspritze für Alleinerziehende und Geringverdiener
Vor allem für Alleinerziehende und Geringverdiener müsse eine deutlich höhere finanzielle Unterstützung gewährleistet sein. In Belgien wird das Sabbatical vor allem von Frauen genutzt, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Deshalb drohen ihnen häufiger auch Einkommens- und Karrierenachteile.
2. Bessere Rahmenbedingungen für Eltern schaffen
Ausreichende Elternzeitansprüche, gute Kinderbetreuungsinfrastruktur, Teilzeitoptionen mit Rückkehrmöglichkeit - dann sinkt für Frauen auch die Notwendigkeit, das Sabbatical vorrangig zum Zweck einer besseren Kind-Job-Balance zu nutzen.
3. Nutzungsbarrieren auf betrieblicher Ebene
Ein wichtiges Handlungsfeld stellt laut der Forscher der Umgang mit Nutzungsbarrieren auf der betrieblichen Ebene dar. „Hier ist es sinnvoll, alle betrieblichen Akteure – Arbeitgeber, Gewerkschaften, Interessenvertretungen und die Bundesagentur für Arbeit – miteinzubeziehen. Durch flankierende tarifliche und betriebliche Vereinbarungen kann auch die Inanspruchnahme von Sabbaticals an Verbindlichkeit gewinnen.“
Quellen:
Claire Samtleben und Philip Wotschak: Sabbaticals in Deutschland und Belgien. Der gesetzliche Anspruch macht den Unterschied aus. WZBrief Arbeit. November 2017.
Sabbatical-Studie von XING: spielraum.xing.com/2017/01/umfrage-zu-sabbaticals-die-deutschen-bekommen-lust-auf-pause