Pikler: Viel mehr als Bewegungserziehung
In Zusammenhang mit Kleinkindpädagogik stößt man immer wieder auf den Namen „Emmi Pikler“ – so auch in unseren Lernwelten. „Ist das nun die neueste Mode in der Pädagogik?“, werden sich manche fragen. Aber davon kann keine Rede sein: Die Kleinkindpädagogik nach Emmi Pikler nahm bereits in den 1940er Jahren ihren Anfang. Und ist heute moderner als je zuvor.
Emmi Pikler war davon überzeugt, dass schon Säuglinge und Kleinstkinder als Individuen wahrgenommen und in ihren Kompetenzen gestärkt werden sollen. Wenn ich ein Kind zu etwas dränge oder ihm helfe, nehme ich ihm das eigene Erfolgserlebnis. Lernt das Kind beispielsweise eigenständig und ohne fremde Hilfe das Stehen, gibt ihm das die notwendige Sicherheit, laufen zu lernen. Dieses echte Selbstbewusstsein ist eine gute Grundlage für alle weiteren Lernschritte.
In unseren Lernwelten erleben wir, dass die Kinder viel und ausdauernd ausprobieren. Wir trauen den Kinder viel zu: So entwickeln sie schnell ein Gefühl für ihre Möglichkeiten und Grenzen und sind weniger abhängig vom unserem Eingreifen. Das gibt uns mehr Zeit, das Kind individuell zu beobachten und es dort zu unterstützen, wo es gerade „spielt“. Es ist ein wahres Vergnügen mitzuerleben, mit welcher Neugier, Ausdauer und Freude schon die Kleinsten aus sich heraus neue Herausforderungen angehen und ohne Zutun des Erwachsenen ihre Schritte in die große weite Welt machen.
Raus aus den Puschen: Bewegungserziehung nach Pikler/Hengstenberg
Wir regen die Kinder an, auf alle erdenklichen Arten „in Bewegung zu kommen“. Dabei verwenden wir spezielle Holzspielgeräte die von Elfriede Hengstenberg entwickelt wurden: Leitern, schiefe Ebenen oder Podeste, an denen sich die Kinder frei nach ihrem eigenen Entwicklungsstand bewegen und erproben können.
In allen Lebensbereichen: Laufen lernen, essen, wickeln....
Bei der Pikler-Pädagogik geht es nicht nur um Bewegung. Das Prinzip gilt für die verschiedensten Alltagssituationen, zum Beispiel das Essen: Wir verteilen das Essen nicht auf die Teller, sondern lassen das Kind selbst wählen, was und wie viel es essen möchte. Die Kinder nehmen sich selbstständig, schütteln und rühren und entscheiden selbst, ob sie noch mit den Fingern oder schon mit dem Löffel essen möchten. Hier hat sich die sogenannte Zweilöffelmethode bewährt: Das Kind und der Erwachsene haben jeweils einen Löffel – so kann der Erwachsene das Kind füttern und das Kind kann gleichzeitig mit seinem Löffel experimentieren. Beim Wickeln lassen wir das Kind selbst entscheiden, ob es sitzen oder liegen will und ermutigen es, mitzuhelfen: ‚Willst du mir deinen Arm geben?’
Pikler-Grundsatz: Achtsamkeit und Gelassenheit
Kern der Pikler-Pädagogik ist eine kooperative und respektvolle Interaktion zwischen Kindern und Betreuungspersonen, die von Achtsamkeit und Gelassenheit geprägt ist. Ganz konkret bedeutet das, dass wir Vertrauen zeigen in die Fähigkeit des Kindes, Probleme zu lösen und dem Kind die nötige Zeit dafür geben. Mit freundlichen Worten und Blickkontakt geben wir ihm das nötige Selbstvertrauen dafür.
Pikler-Grundsatz: „Lasst mir Zeit“
Wir unterstützen jedes Kind in seiner Individualität und drängen es nicht, bestimmte Meilensteine der Entwicklung in einem vorgegebenen Zeitraum zu erreichen. Laut Emmi Pikler sind Probleme als „Lerngelegenheiten“ zu sehen. Was sie damit meinte: Wir sollen – auch wenn es manchmal schwerfällt – nicht ständig versuchen, den Kindern das Leben erleichtern zu wollen und sie zu beschützen, sondern ihnen Raum und Zeit zu geben, sich selbst zu helfen und sich auszuprobieren. Selbstverständlich beobachten wir die Kinder dabei intensiv und geben ihnen das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit
Pikler-Grundsatz: Vorbereitete Umgebung
Damit die Kinder selbstständig experimentieren können, bereiten wir eine sichere Umgebung vor mit klaren Strukturen und mit altersgemäßen Orten zum Bauen, Spielen, Forschen und zum Rückzug. Das Spielmaterial ist auf ihr Alter und ihre momentanen Bedürfnissen angepasst und für die Kinder gefahrlos erreichbar. So können sie selbst das wählen, was sie gerade interessiert. Wir verwenden bevorzugt Materialien, die die Sinne der Kinder anregen und wenig vorgeben - Naturmaterialien wie Kastanien, Tannenzapfen oder Blätter, Alltagsgegenstände wie Korken, Kartons, Körbe, Kissen, Bälle, Becher, Töpfe, Decken und Tücher.
Pikler-Grundsatz: Beziehungsvolle Pflege
In alltäglichen Situationen schaffen wir so genannte „Momente besonderer Qualität“, in denen wir dem Kind die volle Aufmerksamkeit schenken. Ein Beispiel dafür ist das Wickeln: Wir lassen uns bewusst Zeit und begleiten alle Handlungen mit Worten. Beispielsweise streichen wir mit einem weichen Schwamm über den Körper des Kindes und benennen die Körperteile: „Hier ist dein Arm, jetzt kommt dein Bein“. Diese intensive Zuwendung fördert das Vertrauen des Kindes zu uns als Bezugspersonen ebenso wie das Gefühl, sich in der Kita sicher und geborgen zu fühlen.
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Pikler für Zuhause: Tipps aus den pme-Lernwelten
Die Füße stehen im Mittelpunkt: Lassen Sie Ihr Kind möglichst oft barfuß gehen, massieren Sie die Füße oder besuchen Sie zusammen einen Barfußpark
Auch wenn es schwerfällt: Heben Sie das Kind nicht hoch, stellen Sie es nicht auf die Füße, üben Sie nicht mit ihm das Gehen an der Hand
Widmen Sie dem Kind bei der Köperpflege Ihre volle Aufmerksamkeit – lassen Sie sich Zeit und sprechen Sie mit dem Kind
Wer waren Emmi Pikler und Elfriede Hengstenberg?
Emmi Pikler (1902 – 1984) war eine ungarische Kinderärztin, die in der Kleinkindpädagogik neue Wege ging. Ihre Prinzipien und Theorien sind aus ihrer Arbeit als Familienärztin und langjährigen Leiterin eines Säuglingsheimes in Budapest entstanden.
Elfriede Hengstenberg (1892 – 1992) war Gymnastiklehrerin und hat in Berlin mit Großstadtkindern gearbeitet. Ihr Anliegen war es, dass Kinder selbstständig ihre Bewegungsfähigkeiten entdecken und entwickeln können. Dazu entwickelte sie spezielle Bewegungsmaterialien wie Leitern, Bretter, Hocker oder Balancierstangen.