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Eine junge asiatische Frau auf der Straße schaut sorgenvoll in die Kamera
Psyche

Klimaangst: Wie können wir mit ihr umgehen?

Die Folgen der Klimakrise machen vielen von uns Angst. Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen rechnen damit, dass diese Ängste zunehmen werden. Welche psychischen Belastungen können dadurch entstehen? Und wie können wir lernen, mit der „Klimaangst“ sinnvoll umzugehen?

 

Rekordtemperatur im Mittelmeer, über 50 Grad in Marokko, sterbende Korallenriffe in Florida, Flutkatastrophen in Australien, Taiwan, USA, Südkorea, Indien: Die Folgen der Klimakrise können wir täglich in den Nachrichten sehen. Aber auch vor unserer Haustüre spüren und sehen wir den Klimawandel überall: Trockenheit und Hitze belasten Wälder, Blaualgen besiedeln die Ostsee, einst weiße Skigebiete zeigen sich ohne Schnee.

Viele machen sich deshalb Sorgen. Und viele entwickeln Ängste, dass alles noch schlimmer wird. Vor allem Menschen, die sich intensiv mit dem Klimawandel beschäftigen, laufen Gefahr, psychisch stark belastet zu werden. Prominentes Beispiel: Joko Winterscheidt. In der Dokumentarserie „Joko Winterscheidt Presents – The World’s Dangerous Show“ befasst sich der Fernsehmoderator und Schauspieler mit der Klimakrise. Sechs Folgen lang erforscht er die Auswirkungen des Klimawandels und trifft Menschen, die für eine bessere und nachhaltigere Welt kämpfen. Das gibt einerseits Hoffnung. Am Ende jedoch liegt Joko Winterscheidt auf dem Therapiestuhl: „Wenn ich all diese Bilder sehe, fühle ich mich unfassbar überfordert. Ich bin hilflos. Ich bin machtlos. Wem geht es, ehrlich gesagt, wahrscheinlich nicht so?“.

Angst vor Klimakatastrophen nimmt zu

Es geht vielen so. Das immer schnellere Stakkato der Katastrophen, die schrecklichen Bilder und gleichzeitig das Gefühl, nichts dagegen tun zu können – das alles kann belasten. „Climate Anxiety“ (deutsch: Klimaangst) nennt man die Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen.

Diese Ängste nehmen seit Jahren zu. Wissenschaftler:innen rechnen damit, dass Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürreperioden zunehmen werden – und damit auch die psychischen Belastungen. „Das psychiatrische Versorgungssystem muss sich auf einen steigenden Bedarf einstellen“, heißt es im Positionspapier „Klimawandel und psychische Erkrankungen“ (2023) der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie.

„Climate Anxiety“ ist keine psychische Erkrankung

Eine psychische Erkrankung ist „Klimaangst“ nicht. In den ICD-Krankheitskatalogen kommt der Begriff nicht vor, auch nicht als Unterkategorie einer Angststörung. In dem 2017 von der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA) veröffentlichten Bericht "MENTAL HEALTH AND OUR CHANGING CLIMATE" wird „Eco-Anxiety“ allerdings als „chronische Angst vor dem ökologischen Untergang“ beschrieben.

Die Wissenschaftler:innen Lea Dohm, Fabian Chmielewski, Felix Peter und Mareike Schulze von Psy4F (Psychologists/Psychotherapists for Future) weisen in der Zeitschrift „Ärztliche Psychotherapie“ darauf hin, dass das Wort „Klimaangst“ nicht korrekt ist. Es wäre vielmehr präziser, von "Angst im Zusammenhang mit den ökologischen Krisen" zu sprechen. Warum zählt die "Klimaangst" nicht zu den Angststörungen? Jutta Dreyer, Familientherapeutin und Sozialarbeiterin beim pme Familienservice, erklärt den Unterschied: „Angst, wie die Angst vor Spinnen, kann durch eine Verhaltenstherapie behandelt werden. Spinnen sind zumindest in Deutschland in der Regel nicht gefährlich. Dem entgegen steht hinter der Angst vor dem Klimawandel eine reale Gefährdung, die unsere Biosphäre und Zukunft bedroht."

Umweltverschmutzungen und Hitze haben direkten Einfluss auf Psyche

Nicht nur die Angst vor den Auswirkungen des Klimawandels wirkt sich negativ auf die Psyche aus, auch Umweltverschmutzungen und Temperaturanstieg haben einen direkten Einfluss auf unsere psychische Gesundheit. „Eine 2021 veröffentlichte Meta-Analyse zeigt, dass pro 1-Grad-Celsius-Temperaturanstieg ein 0,9 % höheres Risiko für psychische Erkrankungen existiert“, heißt es im IPCC-Bericht (The Intergovernmental Panel on Climate Change).

Ein Beispiel: Menschen mit Depressionen haben oft Schlafstörungen. Manche Patient:innen werden durch die Hitze zusätzlich müde und träge, so dass sie sich tagsüber hinlegen. Das kann die Depression verschlimmern. Denn Schlafentzug hilft bei Depression und wird in vielen Kliniken als Behandlung angeboten.

80 Prozent aller Jugendlichen sind besorgt

Wie wird unsere Welt in 20 Jahren aussehen? Haben wir noch genügend sauberes Wasser? Macht es überhaupt noch Sinn, Kinder zu bekommen? Das sind nur ein paar Gedanken, die durch sehr viele – vor allem junge – Köpfe kreisen dürften.

Was Klimaprognosen bei jungen Menschen weltweit auslösen, zeigt eine 2021 publizierte Untersuchung im Fachblatt „The Lancet“. Dafür befragte ein wissenschaftliches Team von der Universität Bath 10.000 Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren in zehn Ländern aller Kontinente zu ihren Gedanken und Gefühlen in Bezug auf die Klimakrise. 75 Prozent stimmten der Aussage "Die Zukunft ist beängstigend" zu. 56 Prozent der Befragten glauben, dass die Menschheit "dem Untergang geweiht" sei. Über die Hälfte (59 Prozent) gaben an, sehr oder extrem besorgt zu sein und berichten von Traurigkeit, Ängstlichkeit, Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Schuldgefühlen.


 

Zu ähnlich besorgniserregenden Ergebnissen kommt eine kürzlich von der Bertelsmann-Stiftung publizierte Umfrage in Deutschland. 80 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren haben Sorge wegen des Klimawandels, 42 Prozent waren sogar sehr besorgt.

„Man kommt in den Burnout, wenn man keine Wirksamkeit erlebt“

„Gerade junge Menschen wollen die Welt ändern, und zwar schnell, und haben unterschätzt, dass das kein Sprint, sondern ein Marathon ist. So kommt man in einen Burnout, wenn man zu schnell zu viel will und keine Wirksamkeit erlebt“, sagt Barbara Meerwein in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“. Die Berlinerin ist spezialisiert auf die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse und gehört ebenfalls der Gruppe Psy4F an. Insgesamt engagieren sich mehr als 1.200 Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen ehrenamtlich im Verein und bieten unter anderem Aktivist:innen psychotherapeutische Beratung an.

Hinzu komme laut Familientherapeutin Jutta Dreyer, dass Jugendliche und junge Erwachsene als „Digital Natives“ aufwachsen und sich im Netz und in den sozialen Netzwerken auf ureigenem Terrain bewegen: „Junge Menschen sind besser vernetzt und informiert und sehen die Gefahren durch den Klimawandel deutlicher. Zudem ist die Zeit des Erwachsenwerdens oft von Gefühlen der Unsicherheit begleitet. Die große Unsicherheit, wie unsere Zukunft aussehen wird, kombiniert mit den vielen Informationen, rüttelt da natürlich noch stärker an der jungen Psyche“.

Fight. Flight. Freeze: 3 emotionale Reaktionen auf die ökologische Krise

In der Forschung wird mittlerweile eine ganze Palette verschiedener Reaktionen zur psychischen Verarbeitung ökologischer Bedrohungen diskutiert. Darunter Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit, Traurigkeit und Kummer, aber auch Ärger und Wut.

Die Wissenschaftler:innen von Psy4F stellen drei Reaktionsmöglichkeiten auf die Bedrohungen der Klimakrise vor: „Neben dem aktiven Eingreifen ('fight') und der (kognitiven oder emotionalen, aber auch der behavioralen) Flucht ('flight') stellt die lähmende Angst ('freeze') eine dritte Reaktionsmöglichkeit auf Bedrohungen dar". Im schlimmsten Fall – und zum Glück in seltenen Fällen – können die Symptome einer solchen Angst in einen Burnout oder eine Depression führen. Deshalb haben wir Tipps zusammengestellt für einen gesunden Umgang mit der Angst vor der Klimakrise.

Wie du einen guten Umgang mit deiner Angst findest

5 Tipps von Jutta Dreyer, Familientherapeutin und Coachin, pme Familienservice

1. Nimm deine Angst an

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An sich ist Angst etwas Gutes. Angst hat die Funktion, uns darüber zu informieren, was uns gefährlich werden kann, so dass wir darauf frühzeitig reagieren können. Sie kommt, und meistens bleibt sie nicht lange, und das Gefühl verschwindet wieder. Insofern möchte sie dich schützen. Nimm die Angst also genau als solches an: als Schutzfunktion.

Beobachte beim nächsten Mal deine Angst. Zu wissen, dass sie kommt und nicht lange bleibt, hilft uns dabei, uns ihr nicht so hilflos ausgeliefert zu fühlen. Das ist auch das Prinzip der Achtsamkeit: Momente bewusst zu erleben, auf seine inneren Regungen zu horchen, ohne zu bewerten.

Angst kann sogar motivieren und dazu führen, dass du aktiv wirst – dich also zum Beispiel für den Umweltschutz einsetzt. Und das wiederum nimmt der Angst das Lähmende. Du wirst handlungsfähig und deine Angst wird dadurch vielleicht weniger.

Achtsamkeitsübungen, Podcasts und mehr: Angst und Stress reduzieren

Achtsamkeitsübungen können dir helfen, deinen Stress und deine Ängste zu reduzieren. Sie helfen dir, deinen Fokus zu verändern und wieder auf das „Gute“ zu lenken. Vor allem, wenn du die Übungen regelmäßig machst, kann Achtsamkeit dazu führen, dein Denken positiv zu verändern

Du kannst die Übungen recht einfach in deinen Alltag integrieren:

3-Sinne-Übung

2 einfache Übungen für mehr Resilienz

4-7-8-Atemübung

Schmetterlingsumarmung

Podcast: Wie geht Achtsamkeit?

Heiter bis stürmisch: Achtsamkeit leben

2. Werde aktiv – und erhöhe deine Selbstwirksamkeit

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Was bei der Klimakrise erschwerend hinzukommt, ist das Gefühl der Ohnmacht. Natürlich hast du auf vieles keinen Einfluss. Dennoch kann es hilfreich sein, sich als Teil der Lösung zu verstehen und danach zu handeln.

Schau dich in deinem Einflussbereich um: Was kannst du an deinem Arbeitsplatz oder in deinem Verein tun? Willst du Teil der Lösung sein? Dann ist ein Umweltprojekt vielleicht genau das Richtige und holt dich aus deiner (gefühlten) Handlungsunfähigkeit heraus.

Projekte für Umweltschutz findest du hier:  www.betterplace.org/de

Unterstützung für dein Nachhaltigkeitsprojekt findest du hier: institut-klimapsychologie.de

Das Institut für Klimapsychologie unterstützt Schritt für Schritt, einen Weg zu finden, um Ziele zu erreichen und dein Nachhaltigkeitsprojekt zum Erfolg zu führen.

Podcast-Empfehlung: Was tun gegen das Gefühl der Ohnmacht?

3. Mit Freunden oder einem/einer Therapeut:in reden

Wenn du merkst, dass deine Angst immer größer wird, sie dich sogar lähmt oder du regelrecht in Panik verfällst, dann nimm das ernst und sprich mit anderen darüber. Es ist wichtig, etwas zu tun, wenn die Ängste nicht mehr weggehen.

Du kannst mit guten Freunden darüber sprechen. Alternativ kannst du dich auch in Gruppencoachings mit anderen Menschen über deine Sorgen austauschen. In der Corona-Zeit haben wir beim pme Familienservice gemerkt, dass es hilft, nicht nur in der Einzelberatung zu sprechen, sondern in der Gruppe, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Wenn das Reden mit Freunden nicht hilft, scheue dich nicht, Beratung in Anspruch zu nehmen. Warte nicht zu lange und suche frühzeitig Unterstützung.

24/7-Lebenslagen-Hotline für Kund:innen des pme Familienservice:

0800 80100 7080

Gruppencoaching „Resilienz“: Unsere Gruppencoachings können dir helfen, mit deinen Ängsten und Emotionen bezüglich der Klimakrise besser umzugehen.

Gruppencoachings​​​​​​​

4. Selbstfürsorge – Nimm dir Zeit für dich (plus Übungen)

Guter Schlaf, gesunde Ernährung, Zeit für Bewegung, gemeinsame Zeit mit Freunden, persönliche Entwicklung: Das sind alles Bedürfnisse, mit denen du gut für dich sorgst, wenn sie in Balance sind.

Werden unsere Bedürfnisse befriedigt, sind wir glücklich. Vernachlässigen wir ein Bedürfnis über einen längeren Zeitraum hinweg, können negative Gefühle und Anspannungen daraus entstehen. Ist unser Bindungsbedürfnis beispielsweise frustriert, weil wir lange keine sozialen Kontakte hatten, leiden wir wahrscheinlich bald unter Einsamkeitsgefühlen.

Mit der 10-Finger-Methode kannst du herausfinden, ob alle deine Bedürfnisse gedeckt sind:

Bedürfnisse erkennen mit der 10-Finger-Methode

5. Social-Media-Abstinenz: Gönne dir Auszeiten von Nachrichten

Sich abends im Bett stundenlang durch negative Nachrichten scrollen, bezeichnet man als Doomscrolling. Es ist unsere menschliche Natur, unkontrollierbare Situationen verstehen zu wollen und Wissenslücken zu schließen. Das gibt Sicherheit. Deshalb suchen wir nach Erklärungen, aber wir stoßen dabei auf immer mehr negative Nachrichten. Und diese wiederum füttern unsere Ängste.

Gönn dir eine Pause. Werde dir auch bewusst, dass Nachrichtenagenturen und Magazine absichtlich mit negativen Schlagzeilen arbeiten. Unser Gehirn springt darauf an. Negative Nachrichten werden öfter angeklickt.

Außerdem sind wir von Natur aus einem Negativity Bias (auf deutsch: Negativitätsverzerrung) ausgesetzt. Das bedeutet, dass sich negative Gedanken und Erfahrungen stärker auf unsere Psyche auswirken als positive Erlebnisse.

Um nicht unkontrolliert durch Feeds zu scrollen, empfehlen wir dir:

  • Checke nur einmal am Tag Social Media Feeds.
  • Vermeide Foren oder Gruppen, die viel und reißerisch über Katastrophen berichten.
  • Wohne stattdessen Foren und Gruppen bei, die sich für Klimaschutz engagieren.

Good News: Außerdem haben wir ein paar gute Nachrichten für dich

Speed-Enzyme zersetzen PET-Kunststoff in Rekordzeit

Klimaaktivisten gewinnen gegen US-Staat

mdr zum EarthDay: Gute Nachrichten vom Planeten

Klima-Reporter: Magazin mit guten Umweltnachrichten

 

 

Hinweis: Der Artikel wurde geprüft und unter Mitarbeit geschrieben von Jutta Dreyer, Familientherapeutin, Sozialarbeiterin und Produktverantwortliche Lebenslagen-Coaching beim pme Familienservice.

 

Quellen:​​​​​​​

Positionspapier einer Task-Force der DGPPN (Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V.)

Report der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (American Psychological Association) (Abruf 12.01.22) Mental Health and Our Changing Climate: Impacts, Implications, and Guidance

https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/mensch/gesundheit-2030/nachhaltigkeit/klima-angst-1072176

https://elibrary.klett-cotta.de/content/pdf/10.21706/aep-18-1-5.pdf

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/was-bewegt-die-jugend-in-deutschland

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/psychische-folgen-der-klimakrise-aktivisten-geraten-haeufig-in-ein-burnout-li.294884

https://www.zeit.de/campus/2019-12/klima-aktivisten-angst-depressionen-klimawandel

https://www.psy4f.org/ (Psychologist for Future)

https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(21)00278-3/fulltext

https://psychotherapie-wissenschaft.info/article/view/1664-9583-2022-2-45/html

 

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