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Mediziner Dr. Johannes Wimmer
Body & Soul

Dr. Johannes Wimmer: Das hilft gegen Stress-Essen

Dr. Johannes Wimmer ist ein wahres Allroundtalent. Er ist nicht nur einer der bekanntesten Mediziner der Bundesrepublik, sondern auch einer der gefragtesten Moderatoren im deutschen Fernsehen. Unterhaltsam und leicht verständlich zeigt er, wie unser Körper funktioniert und wie wir ihn gesund erhalten. Im Interview erläutert der Hamburger, wie unser Wohlbefinden mit der Ernährung zusammenhängt und wie wir uns in stressigen Situationen gut ernähren.​​​

Sie sprechen gerne vom Wohlfühlgewicht. Wie definiert man dieses?

​​​​​Dr. Johannes Wimmer: Ich möchte niemandem vorschreiben, mit welchem Gewicht man sich gut oder schlecht fühlen sollte. Ich denke, dass das jeder Mensch selbst entscheiden kann. Also: Fühle ich mich in meiner Haut wohl – ja oder nein?

Können Sie erklären, welche Rolle Stress bei der Erreichung und Aufrechterhaltung unseres Wohlfühlgewichts spielt?

Negativer Stress ist ein sehr belastender Zustand. Und vielen von uns wurde nun mal schon als Kind beigebracht: Wenn es mir schlecht geht, dann hilft ein tröstendes Bonbon. Leider bleibt es aber meistens nicht bei dem einen Bonbon, sondern es handelt sich bei den süßen oder salzigen Tröstern eher um eine ganze Packung Chips, eine große Tafel Schokolade oder eine Bestellung beim Lieferdienst, mit der wir versuchen, unseren Stress auszugleichen. Nach dem Motto: Der Tag war schlimm, also kann ich mir jetzt wenigstens noch etwas Leckeres zu essen gönnen.

Aber: Wenn wir das jeden Tag machen, wird das Wohlfühlgewicht eben ganz schnell zu einem belastenden Gewicht. Diäten sind für die meisten Menschen natürlich ebenfalls purer Stress. Dann meldet sich jeden Tag diese kleine Stimme im Ohr, die uns das erlernte Programm einflüstert: “Los, iss einen Schokoriegel, dann geht’s dir besser, der tröstet dich.” Dann muss man leider hart bleiben und sich selbst sagen: “Schokoriegel können nicht trösten und entstressen.” So lernen wir mit der Zeit ein neues Programm – wenn wir denn dranbleiben.

Wie wichtig ist die richtige Ernährung für unser Wohlbefinden?

Stellen Sie sich vor, Sie fahren zur Tankstelle, weil Ihr Tank leer ist. Wenn Sie nun Kraftstoff nachtanken, der für Ihr Fahrzeugmodell ideal ist, ist alles in Butter. Wenn Sie aber den falschen Kraftstoff tanken oder nur für zehn Euro auftanken, sieht die Sache schon ganz anders aus. Damit kommen Sie nicht weit und schaden dem Auto im schlechtesten Fall auch noch enorm. Und so ist es auch mit unserem Körper: Wenn wir ihm über eine bunte Ernährung alle Nährstoffe zur Verfügung stellen, die er braucht, dann ist er glücklich und funktioniert wie eine Eins. Wenn wir ihm aber auf Dauer nur Mist geben, fängt er an zu
ruckeln, weil er Mangelerscheinungen oder andere gesundheitliche Probleme bekommt.

Warum greifen wir so oft zu ungesunden Snacks in stressigen Situationen?

Ganz ehrlich: Weil sie verfügbar sind. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit im Krankenhaus. Da fehlte oft einfach die Zeit, eine vernünftige und gesunde Frühstücks- oder Mittagspause zu machen. Und wer ist dann dein bester Freund? Richtig: Der Snackautomat auf dem Gang oder die Süßigkeiten-Box im Pausenraum. Der Zucker gibt einem dann nämlich genau den richtigen Kick, den man gerade auf die Schnelle braucht. Aber da so ein Riegel leider nicht lange satt hält, verlangt der Körper schon bald nach dem nächsten Snack.

Welche Strategien empfehlen Sie uns, um das „Stress-Essen“ zu umgehen?"

In meinem Video-Kurs “Entspannt zum Wohlfühlgewicht” rate ich dazu, erstmal herauszufinden, was mich stresst. Sind es die Strukturen auf der Arbeit, ist es mein Privatleben oder meine Beziehung? Hier sollte man ansetzen und herausfinden, wie man die Stressauslöser in den Griff bekommen kann. Wir sind ja keine Opfer der Umstände, sondern haben es selbst in der Hand.

Abgesehen davon sage ich immer: Verabschiede dich von allen Lebensmitteln, die du nicht mehr essen möchtest. Zu Hause, im Auto, aber auch im Büro. Denn: Was nicht da ist, kann auch nicht deinen Namen rufen. Ich weiß, es ist schwer,
die Notfall-Schoki gehen zu lassen, aber es hilft. Stattdessen habe ich jetzt immer einen gesunden Snack in meiner Tasche, meistens eine Dose mit gemischten Nüssen. Die haben ordentlich Energie, sind lecker und halten mich fern von schlechten Entscheidungen.

Was müssen wir an der Ernährung ändern, um Entspannung zu fördern und Stress abzubauen?

Ich sage ja immer: Eat the rainbow, iss den Regenbogen. Also viel Gemüse, zwei Handvoll Obst pro Tag, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte, gerne auch ungezuckerte Milchprodukte, wenn man sie gut verträgt. Selten bis gar nicht essen würde ich Wurst und Fertigprodukte. Wenn es um Fisch und Fleisch geht, setze ich grundsätzlich auf Bio, damit die Qualität stimmt. Und ja, ich gönne mir im Restaurant auch mal einen Burger oder eine Pizza.

Man muss nur im Blick behalten, was man sonst noch alles so zu sich nimmt. Stichwort: Bewusstes Essen und bewusstes Genießen. Den Stress können Sie mit einer gesunden Ernährung aber auch nicht wirklich wegfuttern. Da hilft wirklich nur: Stressauslöser aufdecken und Lösungen finden.

Haben Sie einen Life-Hack für uns, wie sich das in stressigen Situationen im Alltag integrieren lässt?

Der beste Tipp ist tatsächlich, die ungesunden Sachen gar nicht erst einzukaufen. Dann sind sie auch nicht zu Hause und warten verlockend im Schrank. So ein gesunder Einkauf klappt dann am besten, wenn man nicht hungrig in den Supermarkt geht. Darauf achte ich tatsächlich sehr. Mein Einkaufswagen füllt sich mit komplett anderen Dingen, wenn ich gesättigt an den Regalen vorbei gehe.

Und wenn es doch mal etwas Ungesundes für den Genuss sein soll und einfach nicht fehlen darf, dann am besten schauen, ob es das auch in kleineren Packungen gibt. Die sind zwar etwas teurer, auf die Menge gesehen, aber so kann man sich die kleinen köstlichen Sünden viel besser einteilen.

Warum lohnt es sich, auf die Ernährung und das Stressmanagement zu achten?

Es lohnt sich, weil Sie das nur für sich tun. Sie verändern die Situation, damit es Ihnen besser geht, körperlich und emotional. Damit zeigen Sie sich selbst: Ich bin es mir wert, die Dinge anzupacken.

Was ist ein guter erster Schritt, wenn wir etwas verändern möchten?

Schnappen Sie sich einen Zettel und schreiben Sie mal ganz in Ruhe auf, warum Sie etwas verändern möchten. Also zum Beispiel, warum Sie gerne Stress abbauen oder abnehmen möchten. Notieren Sie, was Sie antreibt. Vielleicht auch, warum Sie gerade unglücklich oder unzufrieden mit sich oder Ihrer Gesundheit sind. Herauszufinden und auszuformulieren, was Sie motiviert, ist der Schlüssel, um die Sache durchzuziehen. Denn Sie werden immer mal wieder ins Straucheln kommen – gerade beim Abnehmen. Aber dann haben Sie diese ehrlichen Zeilen, die Ihnen schwarz auf weiß sagen, warum Sie das alles machen. Nämlich für sich selbst und niemand anderen.

Das Interview führten Michèle Penz und Simone Bohny, Redaktion: Christin Müller

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