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Susanne Roboom: Digitale Medien mit Kindern

Digitale Medien in Kita und Kinderzimmer – kaum ein Thema ist so umstritten. Während manche Eltern begeistert die neuesten technischen Errungenschaften für ihren Nachwuchs anschaffen, würden andere den Kontakt mit digitalen Medien am liebsten so lange wie möglich hinauszögern. Was empfehlen Experten? Wie können Kitas und Eltern einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien fördern? Susanne Roboom vom Blickwechsel e.V. kennt Antworten auf diese Fragen.

Frau Roboom, mal ganz grundsätzlich: Wie ist Ihre Haltung zur frühen Medienpädagogik?

Susanne Roboom: Schaut man sich an, welchen Stellenwert Medien in der Gesellschaft haben, dann kann die Frage nicht mehr sein, ob Kinder Medien nutzen dürfen, sondern wie wir den Medienumgang von Kindern gestalten und begleiten sollten. Schon Kindergartenkinder sind überall mit Medien konfrontiert. Morgens lesen die Eltern über App in der Tageszeitung, der Staubsaugerroboter verrichtet seinen Dienst dank Programmierbefehl, in der Straßenbahn oder im Museum hängen Info-Displays, Spielzeug ist immer häufiger digital. Und die Möglichkeiten, die sich durch digitale Technik eröffnen, entwickeln sich rasant weiter. Nehmen Sie nur das selbstfahrende Auto: Vor 20 Jahren noch eine Utopie, ist es jetzt zumindest technisch Realität.

Ihr Rat an Eltern, bei denen der Gedanke an digitale Medien in Kita und Kinderzimmer Ängste auslöst?

Wie so oft in der Erziehung geht es auch hier darum, das richtige Maß und eine kritisch-konstruktive Haltung zu finden. Jedes neue Medium löst zuerst einmal heftige Diskussionen aus. Können Sie sich heute noch vorstellen, dass es riesige Bedenken gab, als in den 1970er Jahren mit Sesamstraße und Rappelkiste die ersten Fernsehprogramme für Vorschulkinder kamen? Wir können uns heute kaum vorstellen, was in fünf oder zehn Jahren möglich sein wird. Umso wichtiger ist es, Kinder auf ihre Zukunft und nicht auf unsere Vergangenheit vorzubereiten. Hier ist es sinnvoll, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte mit Kindern über Medien ins Gespräch kommen, ihnen Verarbeitungs- und Orientierungshilfen anbieten und einen kreativen, sinnvollen Umgang vermitteln. Selbstverständlich mit einer gesunden Portion Distanz und dem Bewusstsein, dass es sich um ein Hilfsmittel handelt, das auch mal „Sendepause“ hat.

Was lernen Kinder im Umgang mit digitalen Medien? 

Medien sind längst mehr als nur „Daddelgeräte“. Sie sind Mittel zum Gestalten, Dokumentieren, Forschen, Beobachten, Präsentieren und Reflektieren. Und nicht zuletzt ist die Faszination der Kinder auch ein Motor für das Lernen. Schon Kindergartenkinder gehen unter kompetenter Anleitung sehr motiviert kreativ, planerisch und reflektiert mit digitalen Medien um, etwa wenn sie mit der Kamera Erlebnisse und Prozesse dokumentieren, eigene Trickfilme erstellen, Interviews führen oder Projektergebnisse präsentieren. Sie lernen Medien als kreatives Gestaltungs- und Ausdrucksmittel kennen und entwickeln dabei auch nach und nach einen kritischen Blick. 

Wie können Erwachsene das Interesse der Kinder aufgreifen?

Hier gibt es sowohl zu Hause als auch in der Kita tolle Möglichkeiten. Statt ihren Kindern einfach nur Spiele-Apps zur Beschäftigung zu geben, können Eltern eine Mal-App installieren, in der Bilderbuch-App auch mal die Aufnahmefunktion nutzen oder ihre Kinder z. B. mit der Handykamera Fotorätsel aufnehmen lassen: Die Kinder knipsen auf Spaziergängen oder in der Wohnung kleine Details, und die Eltern müssen raten, was auf dem Bild zu sehen ist. Oder der andere Elternteil oder Freunde werden per Messenger einbezogen: „Mal gucken, ob Papa errät, wo wir gerade sind!“. Mit den Eltern oder in der Kita können Kinder mit der Kamera auf Farben-, Formen-, Buchstaben- oder Zahlensuche gehen und z. B. eine Schnitzeljagd mit Fotorätseln oder ein Foto-Memory erstellen. 

Was kann man tun, damit die Mediennutzung nicht ausufert?

Generell hilft es, miteinander im Gespräch zu bleiben, sich mit den Interessen und Vorlieben der Kinder auseinanderzusetzen und nachvollziehbare Regeln festzulegen. Hier empfiehlt sich z. B. ein Mediennutzungsvertrag, der gemeinsam festgelegt wird. Ich rate davon ab, Mediennutzung als Belohnung oder Strafe einzusetzen, denn das erhöht ihren Stellenwert bei den Kindern noch mehr. 

Eltern sollten sich gerade auch bei der Mediennutzung ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und sich selbst handyfreie Zeiten gönnen, z. B. beim Essen, in Gesprächen oder beim Abholen vom Kindergarten. Aber natürlich können sie ihren Kindern auch vermitteln, dass Smartphones oder Notebooks für sie Arbeitswerkzeuge sind und deshalb mitunter für Kinder und Erwachsene unterschiedliche Regeln gelten. 

Wie finden Eltern gute Medienangebote für Kinder?

Es gibt eine scheinbar unendliche Auswahl an Apps und Webseiten schon für die ganz Kleinen. Angebote wie Flimmo, Klick-Tipps, Kinderbuchcouch, Kinderfilmwelt und die Datenbank „Apps für Kinder“ des Deutschen Jugendinstituts liefern hier wichtige Orientierungs- und Beratungsangebote. Eine Zusammenstellung ist auf www.blickwechsel.org zu finden.

Für pädagogische Fachkräfte gibt es das Projekt „BildungshAPPchen – auf dem Tablet serviert“, für das Blickwechsel im November 2017 einen medienpädagogischen Förderpreis von der Bremischen Landesmedienanstalt bekommen hat. Es bietet Erzieherinnen und Erziehern Orientierungshilfen, konkrete Empfehlungen und handhabbare Methodenbausteine, um digitale Medien bildungsförderlich in ihr pädagogisches Konzept einzubauen und Eltern beratend zur Seite zu stehen.

Über Susanne Roboom 

Susanne Roboom ist Diplom-Pädagogin sowie erste Vorsitzende und Bildungsreferentin des Blickwechsel e.V. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die medienpädagogische Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften, Medieneinsatz in Kita und Grundschule sowie medienpädagogische Elternarbeit. Sie ist Autorin von Fachartikeln sowie Fachbüchern und Arbeitsmaterialien für Kindergärten und Grundschulen. Zu ihren Veröffentlichungen gehören unter anderem: „Mit Medien kompetent und kreativ umgehen. Basiswissen & Praxisanregungen“, Beltz-Verlag 2017, und „www.rananmausundtablet.de: Materialpaket zur Medienbildung für Kitas und Grundschulen im Auftrag der Landesanstalt für privaten Rundfunk in Hessen (LPR)“.

Über Blickwechsel e.V.

Blickwechsel e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Göttingen und Regionalbüros in Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Der Verein engagiert sich seit 25 Jahren für die Medienkompetenzförderung und bietet medienpädagogische Fortbildungen, Projekte und Informationsveranstaltungen für Eltern an – in vielen Bundesländern völlig oder nahezu kostenlos. Außerdem erstellt das Team des Blickwechsel e.V. Arbeitsmaterialien für pädagogische Fachkräfte und stellt auf seiner Webseite methodische Anregungen, hilfreiche Materialien, Literaturempfehlungen und Surftipps rund um den kreativen, bildungsförderlichen Einsatz von Medien und die familiäre Medienerziehung bereit.

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